Tagesspiegel 26.09.05
Teilstrecke der früheren „Stammbahn“ könnte eingleisig
wieder in Betrieb genommen werden – nach einem Vorschlag der CDU
Von Klaus Kurpjuweit
Kleinmachnow - Der Wiederaufbau der so genannten „Stammbahn“ im Süden Berlins
kommt wieder in Fahrt. Die Bahn AG prüft nach Angaben eines Sprechers einen
Vorschlag der Berliner CDU, Zehlendorf mit Düppel/Kleinmachnow und dem Europaparc
Dreilinden per S-Bahn zu verbinden. Diese Variante sei billiger als der bisher
vorgesehene Wiederaufbau für Regionalzüge, sagen der neue Bundestagsabgeordnete
aus Zehlendorf, Karl-Georg Wellmann, und der CDU- Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek.
Beide haben den Plan mit dem S-Bahn- Anschluss entwickelt und jetzt in das
Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht.
Ganz neu ist die Idee nicht. Schon 1948
ließ die Reichsbahn den auf West- Berliner Gebiet liegenden Rest der im Krieg
zerstörten ersten preußischen Eisenbahn von Berlin nach Potsdam zwischen
Zehlendorf und Düppel für die S-Bahn elektrifizieren. Auf dem eingleisigen, 2,5
Kilometer langen Abschnitt pendelte fortan ein kurzer Zug zwischen beiden
Stationen. 1972 baute die Reichsbahn dazwischen noch den Haltepunkt Zehlendorf
Süd.
Das Ende des Zugverkehrs auf der Stammbahn kam 1980, als die Reichsbahner in
West-Berlin streikten. Nach Streikende wurde, wie auf vielen anderen Strecken
im Westteil der Stadt, auch auf der Stammbahn der Verkehr nicht wieder
aufgenommen.
Nach der Wende gab es schnell Pläne, die Stammbahn als Verbindung zwischen Griebnitzsee
und Zehlendorf mit Fortsetzung bis zum Nord-Süd-Tunnel in Berlins Stadtmitte zu
reaktivieren. Auf der Strecke sollten Regionalzüge fahren.
Groß war aber auch der Widerstand. Die Bahn zierte sich, weil die Kosten immer
höher stiegen und sie an der Wirtschaftlichkeit der Strecke zweifelte. Am
Schluss war der zweigleisige Wiederaufbau mit Kosten von mehr als 200 Millionen
Euro veranschlagt. Und Anwohner wehrten sich in einer Bürgerinitiative, weil
sie keinen Zugverkehr vor ihren Gärten und Häusern haben wollten. So tat sich
jahrelang fast gar nichts.
Allerdings ließ die Bahn beim Bau des Nord-Tunnels in Berlin bereits ein
Bauwerk errichten, über das die Züge der Stammbahn in den Tunnel fahren
könnten. Wird die Strecke nicht wieder aufgebaut, müsste das Geld dafür –
immerhin 26 Millionen Euro – an den Bund zurückgezahlt werden, der es
vorgeschossen hat.
Kaczmarek wertet den vorgeschlagenen eingleisigen S-Bahn-Betrieb als
Vorleistung für den vollständigen Wiederaufbau der Stammbahn. So könne man die
Rückzahlung vermeiden, ist er überzeugt. Diese Variante würde rund 35 Millionen
Euro kosten, während die „teure Komplettvariante“ in naher Zukunft nicht
finanzierbar sei. Ein späterer Ausbau zu einer zweigleisigen Regionalbahn wäre
aber nicht ausgeschlossen.
Für einen schnellen Wiederaufbau der gesamten Strecke zwischen Griebnitzsee und
Zehlendorf setzt sich dagegen der Berliner Fahrgastverband IGEB ein. Dessen
Vorsitzender Christfried Tschepe verweist darauf, dass die Regionalexpress-Züge
zwischen Potsdam und Berlin, die über die Stadtbahn fahren, schon heute oft
überfüllt seien. Die Stammbahn über Zehlendorf würde, so Tschepe, dringend
benötigte zusätzliche Kapazitäten schaffen.