Tagesspiegel 13.10.07
Ärger im beschaulichen Kleinmachnow: Regelmäßig lärmen Jugendliche im Ortskern
Kleinmachnow - „Rathausmarkt in Kinderhand“ stand auf der
Einladung. Zum „großen Kinderfest“ hatte die Gemeinde Kleinmachnow Anfang
September ins Ortszentrum eingeladen – mit vielen „kind- und familiengerechten
Attraktionen“. In unmittelbarer Nachbarschaft des Rathausmarktes würde man sich
freuen, wenn die Kinderfreundlichkeit sich nicht nur auf einen Nachmittag
beschränken würde. Denn dort, am Arnold- Schönberg-Ring, einem jener neuen
Wohngebiete, mit dem Kleinmachnow Berliner zum Umzug ins Grüne lockt, zeigt
sich zwischen den schmucken Fassaden ein anderes Bild.
Der „Mariannenplatz von Kleinmachnow“ wird das ursprünglich als Spielplatz
angelegte Areal genannt: Dreck, Müll, leere Schnapsflaschen, Kondome sind die
beständigen Hinterlassenschaften von Jugendlichen, die den Platz seit Monaten
zu ihrem Treffpunkt machen. Vor drei Jahren wurde der Spielplatz von einem
Landschaftsplaner konzipiert, viel übrig geblieben ist nicht von der damals
gepriesenen Anlage. Die Spielgeräte und Sitzbänke sind beschmiert oder
zerstört, der Sandkasten zum Urinal verkommen. Nächtliche Alkoholexzesse sind
regelmäßiges Programm, glaubt man den Klagen der Anwohner. Vor etwa einem Jahr
mussten sie gar einen Notarzt rufen, nachdem sie einen 15-Jährigen völlig
betrunken neben seinem Erbrochenen gefunden hatten.
Suchten die Anwohner anfangs noch das Gespräch mit den Jugendlichen, ist die
Grenze des Erträglichen inzwischen längst überschritten. Ihre Häuser werden mit
Tomaten und Eiern beworfen. Geduld und Verständnis sind erschöpft. Die Anwohner
wollen, dass der Spielplatz komplett verschwindet. Die Kinder in ihrem Viertel
würden ohnehin im eigenen Vorgarten spielen. In Briefen an Bürgermeister,
Ordnungsamt und Gemeindevertreter schildern die Nachbarn, wie sie von den
Jugendlichen in übler Vulgärsprache beleidigt und beschimpft werden. Doch
resigniert müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass sich Gemeinde und Polizei
darüber streiten, wer zuständig ist. Mehr noch: Als eine Anwohnerin wegen des
nächtlichen Lärms einmal mehr auf der Polizeiwache Teltow anrief, habe sich der
Diensthabende alles andere als alarmiert gezeigt. „Die Jugendlichen sind freie
Bürger und tun nichts Unrechtmäßiges“, habe er sie beschieden. Auch das
gemeindliche Ordnungsamt greife nicht so ein, wie es die Anwohner erwartet
hatten. Er hoffe, so schrieb der Amtsleiter vor einigen Tagen zurück, „dass
sich das leidige Problem durch die kommende kühle Witterung zumindest
einstweilen erledigen wird“.
Inzwischen ist der Spielplatz zum Politikum geworden. Im Ortsparlament stand das
Problem auf der Tagesordnung, ebenso im Sozialausschuss. „Doch verlief sich die
Diskussion schnell ins Allgemeine“, räumt Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD)
ein. Er selbst sei sehr nachdenklich geworden – vor allem nach den Gesprächen,
die er inzwischen mit den Jugendlichen geführt habe. Bei einigen erkenne er
Vernachlässigung, indem Eltern ihren Kindern 300 Euro Taschengeld geben und
meinten, dadurch ihre Pflicht getan zu haben. Andere kämen aus sozial schwachen
Familien, sie seien desillusioniert und suchtgefährdet. Er kündigte einen
Maßnahmenkatalog an, der neben einem besserem Austausch zwischen Polizei und
Ordnungsamt auch mehr Sozialarbeit in den Schulen nennt, um dort frühzeitig
Einfluss nehmen zu können. Für einige Neu-Kleinmachnower am Arnold- Schönberg-Ring
könnten diese Schritte zu spät kommen. Sie überlegen, zurück nach Berlin zu
ziehen. Peter Könnicke