Tagesspiegel 15.09.07
Kritische Stimmen zur Erhaltung und zum Ausbau der
Wasserwege in Berlin konzentrieren sich auf ein "Reden über Bäume". So
schützenswert Bäume sind – man kann und wird sie neu pflanzen. Auch Uferwege
werden möglich sein.
Die wichtigere Frage ist: Wie notwendig ist Binnenschifffahrt für die
Entwicklung der Region? Oder: Wie viel Container werden sich zwischen Hamburg
und Berlin auf das Wasser begeben, wenn das letzte Hindernis, gemeint ist die
völlig unnütze Bahnbrücke bei Genthin, in Kürze verschwunden sein wird?
Exakt und sofort kann diese Frage keine Prognose beantworten. Die Notwendigkeit
einer Verlagerung von Güteranteilen auf das Wasser ist aber überdeutlich, wenn
man die Verhältnisse auf deutschen Autobahnen nicht mehr lustig findet.
Erhebliche Nachfrage ist vorhanden. Das Leistungsangebot von Schifffahrt und
Häfen schließt einen weiten Bereich höherwertiger Transportaufgaben ein, etwa
in Bezug auf terminliche Zuverlässigkeit und Integrierbarkeit in
Transportketten. Dabei ist die mäßige Geschwindigkeit der Binnenschiffe in den
meisten Fällen akzeptabel und ein ökonomisch wie ökologisch wichtiger Vorteil.
Wenn wir also die Dienste der Binnenschifffahrt nötig haben, müssen wir ihr
hinreichend rationelle Wasserwege anbieten. Sie muss zeitgemäße, kostengünstige
Schiffsgrößen einsetzen können. Ziel des Projektes 17 ist es, Berlin mit
europaweit üblichen Großmotorgüterschiffen (110 mal 11,40 mal 2,80 Meter) und
mit entsprechenden Schubverbänden bis zu 185 Meter Länge anzulaufen.
Es geht hier nicht um „Wasserautobahnen“, sondern um angemessene
Ausbaumaßnahmen, die sich – um es noch einmal zu unterstreichen –
gesamtwirtschaftlich rechnen und die sich nach allen Überprüfungen als
ökologisch und kulturell unbedenklich erweisen.
Es wäre also auch keine gute Idee, die Spree auf der ganzen Strecke zwischen Spandau
und Charlottenburger Schleuse als Hauptzufahrt zu den zentralen Berliner Häfen
nur als Einbahnstraße auszulegen. Für das so außerordentlich wichtige Ziel
einer nachhaltigen Verkehrsverlagerung wäre dies das falsche Signal. Dies
betrifft hier besonders Container, aber in weiterem Rahmen auch Altpapier nach Schwedt,
Papierprodukte aus Schwedt, Stahl aus Eisenhüttenstadt und Kohle aus Polen und
Übersee, ohne die man auf absehbare Zeit vermutlich nicht auskommen wird, in
der Hoffnung, dass die angestrebte CO2-Abscheidung gelingt.
Das Projekt 17 ist weit fortgeschritten und muss in allen Teilen so schnell wie
möglich vollendet werden – dazu gehört übrigens auch der Teltowkanal mit der
Schleuse Kleinmachnow als Zufahrt zu dem sich sehr gut entwickelnden Hafen
Königs Wusterhausen.
Wasserwege in Berlin sind weit mehr als nostalgische Reminiszenz oder
stimmungsvoller Hintergrund für hippe Beach-Bars. Horst Linde
Der Autor ist emeritierter Professor am Institut für Land- und Seeverkehr
der TU.