PNN 14.5.14

Aufstand der Radfahrer

von Tobias Reichelt

Der ADFC Kleinmachnow will weiter gegen die blauen Radwegschilder klagen. Dafür fehlt noch Geld

Kleinmachnow - Für Sascha Maier sind viele Kleinmachnower Radwege eine Herausforderung: Schlaglöcher reihen sich aneinander, hohe Hecken versperren die Sicht auf Grundstückszufahrten, Hunde mit und ohne Leine laufen neben Erwachsenen und Kindern. „Für hohe Geschwindigkeiten sind diese Wege nicht gemacht“, sagt der Hobby-Radrennfahrer. Und trotzdem sieht sich Maier bei Strafe gezwungen, mit seinem Rennrad auf ihnen zu fahren: Ein blaues Schild weist ihm den Weg auf das gefährliche Pflaster. „Das ist ein Ärgernis“, sagt Maier. Deshalb gehen Radfahrer Berlins und Brandenburgs nun gemeinsam gerichtlich gegen die Sturheit der Verkehrsbehörden vor. Die hätten zahlreiche Schilder schon längst abschrauben können, finden sie.

Für ein Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg haben der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC in Berlin und Kleinmachnow jetzt zu Spenden aufgerufen. Um die Anwälte für das Verfahren bezahlen zu können, fehlen den Radlern rund 3800 Euro. Sie wollen den Benutzungszwang für Radwege kippen. Wie berichtet war das dem Kleinmachnower ADFC-Mitglied Peter Weis Anfang des Jahres, stellvertretend für den Club, vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht nicht gelungen. Nun drängt er auf Berufung – und sieht sich weiter im Recht.

&xnbsp;„Wir haben die Hoffnung, dass die Verfahren gewonnen werden“, sagte Weis am Dienstag in Kleinmachnow. Das Gericht habe viele Argumente nicht gewürdigt. Konkret geht es ihm um die Radwege am Zehlendorfer Damm, dem Thomas-Müntzer-Damm und ein Teilstück der Ernst-Thälmann-Straße. Weis hat beantragt, dass die verbindlichen Radwegschilder dort verschwinden und Radfahrer selbst entscheiden können, wo sie fahren. So hat es zum Teil die Kommune beim Kreis beantragt, bislang erfolglos. Ein positives Gerichtsurteil könnte Vorbildwirkung für alle innerörtlichen Straßen haben, hofft Weis.

„Das hat auch was mit Verkehrspolitik zu tun“, sagt Karl Eberhardt. Der Kleinmachnower Rechtsanwalt vertritt die Radler vor Gericht. Er will nicht falsch verstanden werden: „Wir wollen die Schilder weghaben, nicht die Radwege.“ Jeder, der will, soll weiter auf den markierten Wegen fahren können und Kommunen, Kreis und Land sollten diese auch weiter ausbauen und pflegen. Der ADFC beruft sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Radwegzwang nur bei besonderen Gefahrenlagen angeordnet werden darf. Die Richter bestätigten damit eine Regelung, die schon 1998 in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen wurde.

In Berlin sei das geradezu vorbildlich umgesetzt worden, sagt Eberhard. Nur noch an tatsächlichen Gefahrenstellen seien die blauen Schilder mit den weißen Strichradlern zu finden. Anderenorts ergänzten Tafeln mit der Aufschrift „Radfahrer frei“ die einfachen Gehwegschilder. Damit können Radler frei entscheiden, ob sie auf der Straße fahren wollen oder auf dem Gehweg bzw. dem Radweg.

In Brandenburg ist das meist anders, berichtet Hobby-Radrennfahrer Maier. Der Neuköllner fährt regelmäßig von Berlin nach Potsdam, Saarmund und auch Kleinmachnow. Schon an der Stadtgrenze muss er dort am Zehlendorfer Damm auf den Radweg wechseln – in Berlin durfte er noch auf der Straße fahren.

Radfahrlehrer Bernd Zanke vom Berliner ADFC hält die Fahrt auf der Straße für sicherer: „Wer sich sieht, fährt sich nicht an“, lautet seine Erfahrung. „Es geht auch darum, die Unfallzahlen zu senken.“ So gebe es in der Großstadt Berlin mit rund 3,5 Millionen Einwohnern jährlich etwa zehn bis elf Tote bei Radfahrunfällen zu vermelden. In Brandenburg mit 2,5 Millionen Einwohnern sei die Zahl mehr als doppelt so hoch. Untersuchungen hätten gezeigt, dass 93 Prozent der Unfälle in der Mark auf abbiegende Autofahrer zurückgingen. Sie hatten Radler auf dem Radweg abseits der Straße übersehen. „Wir fahren auf der Straße und fühlen uns dort am wohlsten.“ sagt Zanke.

So geht es auch Sascha Maier. In seiner Freizeit spult der Radsportler jährlich Tausende Kilometer herunter. Bislang hatte er zum Glück erst einen Unfall. Das war auf einem Radweg, erzählt Maier. „Ein Autofahrer hat mich übersehen.“