PNN 29.4.14

Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit Weggefährten erinnern in einem Buch an Walter Janka. Zum 100. Geburstag wird es heute vorgestellt

von Kirsten Graulich

Kleinmachnow - Der Beifall wollte nicht enden am 28. Oktober 1989 im Deutschen Theater. Es war der Schluss der Vorstellung von Walter Jankas Buch „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“, Ulrich Mühe hatte gelesen. Bewegt bedankte sich der Autor und folgte anschließend der Einladung des Intendanten Dieter Mann in dessen Büro. Ein anhaltendes Rauschen irritierte Walter Janka und Dieter Mann erklärte ihm, dass das immer noch der Beifall war. „Das war ein unglaubliches Echo und Gefühl für ihn“, erinnerte sich Mann dreizehn Jahre später, als ihn die Journalistin Heike Schneider zur legendären Buchpremiere befragte.

Erst wenige Tage vor der Lesung hatte Dieter Mann vom Schicksal Jankas erfahren, seiner politischen Haft, erst unter den Nazis, dann in der DDR. Im Gegensatz zu den meisten anderen Interviewten und Autoren, die sich in Heike Schneiders Buch „Zu Kreuze kriechen kann ich nicht!“ an Janka erinnern und seit Jahren über den Doppelaufenthalt im Bautzener Zuchthaus bescheid wussten – darunter Annekathrin Bürger, Günter Kunert, Karl Corino, Gerhard Zwerenz, Rolf Schneider, Fritz J. Raddatz und Egon Günther.

heutigen 29. April erschienen. Der gebürtige Chemnitzer, der sich nach dem Krieg in Kleinmachnow niedergelassen hatte, starb vor zwanzig Jahren. Die Biografie des Antifaschisten, Spanienkämpfers, Chef des Aufbau-Verlags und Defa-Dramaturgs steht für den Mut, trotz Verfolgung und Verleumdung integer zu bleiben. Weggefährten beschreiben ihn als einen, der sich trotz aller Enttäuschungen vorurteilsfrei auf Menschen und das Leben eingelassen hat.

Von den eigenen Genossen in dasselbe Zuchthaus gesperrt wie einst von den Nazis, blieb er sich treu „in einer seltsam säkularen Gläubigkeit“, schreibt Fritz J. Raddatz. Walter habe mit Tausend miesen Typen gehadert, aber nicht mit dem Sozialismus. Für Janka war nicht die Idee schuld an den Irrungen der DDR, sondern deren „falsche Diener“.

Das Thema wurde in Vorwendezeiten im Haus der Großeltern im Kleinmachnower Heidereiterweg nur vorsichtig angesprochen, erinnert sich Oliver Blackert, einer der Enkel. Ließ Opa eine Schimpftirade auf Mielke ab, mahnte Oma: „Walter, denk an die Kinder!“ Wände und Telefon im Haus der Großeltern hatten „Ohren“, wie der Junge erfuhr. Dabei, fand er, war das, was die Erwachsenen besprachen „erhellender als der langweilige Staatsbürgerkundeunterricht an der Schule“.

Die meisten, die Walter und seine Frau Charlotte besuchten, erinnern sich an gute Gespräche und die freundschaftliche Atmosphäre. Im dem Haus erlebten Jankas auch schwere Zeiten. So mussten sie kurz nach Walters Verhaftung im Ort Schikanen ertragen, von stinkendem Unrat vor dem Haus bis zum Mobbing der beiden Kinder durch den Schuldirektor. Enkel Oliver blieben solche Erfahrungen erspart, aber er ahnte aus Andeutungen, dass es Geheimnisse gab.

Seine schönste Erinnerung an den Opa ist das Schachspielen: „Als blutjunger Anfänger gegen den versierten Feldherren, erhielt ich beste Denkanstöße für raffinierte Züge.“ Wenn der Enkel bei den Großeltern übernachtete, schlief er im „Bücherwurm“, Opas schmalem Arbeitszimmer – darin Hunderte Bücher, von großen Autoren der Weltliteratur, „die nicht selten mit handgeschriebenen Widmungen ihrem rührigen Verleger gedankt hatten“, erinnert sich der Enkel.

Beeindruckt war auch Gotthard Erler, der nach der Wende die Geschäfte des Aufbau-Verlages fortführte und unter vielen Verträgen mit Heinrich und Thomas Mann, Leonhard Frank, Anna Seghers, Arnold Zweig und Halldór Laxness Jankas Unterschrift fand. Allein die Herausgabe des „Siebten Kreuzes“ hätte ihm einen Platz in der Literaturgeschichte gesichert, stellt der Kritiker Karl Corino fest.

Zunehmend drängt sich beim Lesen von Heike Schneiders Buch die Frage auf, wann ein Leben Beifall verdient. Die klare Antwort: Haltung bewahren in den Irrungen und Brüchen. Auch deshalb nennt ihn Jankas Freund Günter Kuhnert einen „Grand Old Men“. Kirsten Graulich

Heike Schneider liest am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr aus der Walter-Janka-Biographie „Zu Kreuze kriechen kann ich nicht!“ im Saal des Rathauses Kleinmachnow, Adolf-Grimme-Ring 10.