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Ein Bett im Maisfeld

von Tobias Reichelt

Da Wildschweine in den wachsenden Anbauflächen Schutz vor Jägern finden, wird mit einem neuem Ansturm auf Kleinmachnow gerechnet

Kleinmachnow / Stahnsdorf - Ein Maisfeld ist für Wildschweine das gefundene Fressen. Die Pflanzen stehen dicht an dicht, bieten ausreichen Futter und schützen die Tiere vor fremden Blicken. Was für die Schwarzkittel der Region Kleinmachnow und Stahnsdorf ein Segen ist, lässt Jäger verzweifeln: Die Tiere können sich in Feldern ungehemmt vermehren – und so wohl auch bald wieder ihre Wege zurück in die nahen Wohnsiedlungen finden. So lautet zumindest die aktuelle Einschätzung der beiden Jagdpächter Peter Hemmerden und Jörg Fenske aus Kleinmachnow und Stahnsdorf.

Insgesamt 42 Wildschweine und 22 Rehe konnten die Pächter und ihre Jäger im abgelaufenen Jagdjahr seit April 2013 schießen. Weitere zehn Schweine und zehn Rehe seien in der gleichen Zeit bei Autounfällen gestorben. Während die Zahl der Unfalltiere anstieg, liegt die der geschossenen Tiere deutlich unter Vorjahresniveau: Im Jahr 2012 konnten die Jäger in Kleinmachnow und Stahnsdorf noch rund 100 Wildschweine erlegen.

Auch wenn die Zahlen natürlichen Schwankungen unterliegen – im Jahr 2011 wurden rund 40 Schweine geschossen –, nennt Jagdpächter Hemmerden für den neuerlichen Rückgang vor allem eine Ursache: Mais so weit das Auge reicht. Dank gutem Schutz und gutem Futter sieht er die Wildschweinrotten wieder auf dem Vormarsch. „Ich rechne mit einem Anstieg der Jagdzahlen“, sagt Hemmerden mit Blick auf das neue Jagdjahr.

Viele Gartenbesitzer der Region dürften mit Grauen an die Zeiten zurückdenken, in denen eine Wildschweinrotte nach der anderen Blumenbeete und Rasenflächen zerwühlten. Per Ausnahmegenehmigung durften die Jäger noch vor zwei Jahren sogar in den Siedlungen Kleinmachnows und Stahnsdorf auf die Tiere schießen. Die Plage ging zurück. Doch die Tiere könnten nun bald in großer Zahl aus ihren Verstecken kommen.

Weil die Ackerflächen der Region zunehmend mit Futter und Energie lieferndem Mais bepflanzt sind und die Felder teilweise auch über den Winter nicht abgemäht wurden, hätten sich die Tiere vermehren können. „In der sicheren Deckung eines Maisfeldes können wir die Wildschweine nicht bejagen“, sagt Hemmerden. Zu schlecht sei die Sicht, zu gefährlich die Jagd.

Noch im Jahr 2008 hatte ein 71-jähriger Jäger in Linthe seinen Gang in ein Maisfeld mit dem Leben bezahlen müssen. Der Berliner hatte einen angeschossenem Keiler verfolgt, der ihn dann zwischen den Pflanzen angriff und tödlich verletzte. „Im vergangenen Jahr haben wir deshalb lange Zeit gar kein Schwarzwild gesichtet“, sagt Hemmerden – und in der Zeit von April bis Juli auch nicht geschossen. Über Wochen haben die Waidmänner vergebens an ihren Futterstellen auf Tiere gelauert. Einer wichtigen Aufgabe der Jagd – die Kontrolle der Population – konnte dadurch kaum nachgegangen werden.

In Brandenburg hat der Trend zu immer neuen Maisanbauflächen Folgen für die Forst- und Landwirtschaft. Denn nicht nur in der Region Kleinmachnow und Stahnsdorf lassen es sich Wildschweine in den Feldern gutgehen. Im ganzen Land stieg die Höhe der Schäden durch Wildfraß wie berichtet an. Nicht nur Wildschweine, auch immer mehr Rot- und Damhirsche sowie Rehe knabbern an frischen Trieben und Feldfrüchten. Maisbauern raten Experten deshalb, Schießschneisen auf ihren Feldern einzurichten. In den Vereinigten Staaten werden die Felder sogar bereits von Minidrohnen samt Wärmebildkameras überflogen, um Wildschweine aufzuspüren.

Zu solchen Mitteln wollen die Jäger der Region derzeit noch nicht greifen. Dass die Zahl der Wildschweine im neuen Jagdjahr wieder steigen könnte, schlussfolgert Jagdpächter Fenske noch aus einer anderen Beobachtung. Einer alten Jagdweisheit nach heißt es: viele Eicheln, viele Schweine. Und im Wald seien viele Eicheln von den Bäumen gefallen, sagt Fenske.

Der 64-jährige Stahnsdorfer wird Peter Hemmerden in den kommenden fünf Jahren bis Ablauf des Pachtvertrages in den Wäldern in Kleinmachnow und Stahnsdorf unterstützen. So hat es die Jagdgenossenschaft beschlossen. Der ehemalige Autoverkäufer ist der Nachfolger von Peter Braun. Der frühere Jagdpächter war im Juni überraschend im Alter von 57 Jahren verstorben. Tobias Reichelt