PNN 24.1.2014

Die Straße bleibt tabu

von Ingmar Höfgen

Kleinmachnower scheitert mit Klage gegen Benutzungszwang für Radwege – und will Berufung einlegen

Kleinmachnow / Potsdam - Freie Fahrt für Radfahrer auf den Kleinmachnower Straßen? Das Potsdamer Verwaltungsgericht hat am gestrigen Donnerstag abgelehnt, den Benutzungszwang für Radwege zu kippen. Die 10. Kammer wies drei Klagen des Kleinmachnowers Karl-Peter Weis ab. Konkret geht es um die Radwege am Zehlendorfer Damm, dem Thomas-Müntzer-Damm und ein Teilstück der Ernst-Thälmann-Straße. Weis hatte beantragt, dass die verbindlichen Radwegschilder dort verschwinden und Radfahrer selbst entscheiden können, wo sie fahren.

Nach der mündlichen Verhandlung vom Vormittag waren die Entscheidungen keine Überraschungen mehr – auch nicht für den Kläger, der bis zum Nachmittag ausgeharrt hatte, um den Urteilsspruch zu erfahren. Weis wird wohl Rechtsmittel einlegen, sagte er den PNN. Damit dürfte der Rechtsstreit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beschäftigen. Die Gerichtskosten hat bislang der „Allgemeine Deutsche Fahrrad Club“ übernommen.

Der Gegensatz zwischen Weis’ Ansichten und jener Rechtsmeinung, die die Richter letztlich aus Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung herauslasen, hätte in der Verhandlung nicht größer sein können. Weis sah auf den Wegen eine Gefahr für Fußgänger und besonders für Radfahrer, die an Kreuzungen immer wieder übersehen und bei Unfällen schwer verletzt werden. Jürgen Steiner als Vorsitzender Richter sah hingegen die Leichtigkeit des Verkehrs auf den mit 6,50 Metern relativ schmalen Straßen als entscheidenden Grund dafür, die Radfahrer nicht auf der Straße fahren zu lassen.

So sei der Zehlendorfer Damm als Landesstraße dazu bestimmt, dass der Durchgangsverkehr zügig abgewickelt wird. Wenn ein Radler dort überholt werden soll, würde ein Auto bei der 6,50 Meter breiten Straße unweigerlich in den Gegenverkehr kommen. Ergibt sich keine Überholmöglichkeit, könnte das Überholmanöver provozieren, die nicht rechtmäßig sind, befürchtet Steiner. Damit sah die Kammer eine erhebliche Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse als gegeben an. Das ist genau jene Ausnahme der Straßenverkehrsordnung, nach der Radfahrer von der Straße verwiesen werden können.

Ähnlich sahen es die Richter für die Ernst-Thälmann-Straße, die als Hauptverbindungsstraße zweiter Ordnung dient. Auch sie sei für den Durchgangsverkehr gedacht. Beim Thomas-Müntzer-Damm, einer Gemeindestraße, erwog Steiner, wegen des beachtlichen Verkehrsaufkommens von 12 500 Fahrzeugen am Tag die Klage abzuweisen – wenn sie überhaupt zulässig gewesen wäre. Aus formalen Gründen verneinte dies das Gericht für diesen Fall. Einen Widerspruch gegen das 1999 aufgestellte Schild hätte nur ein Jahr, nachdem es aufgestellt worden ist, eingelegt werden können.

Karl-Peter Weis konnte die Richter mit seinen an den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort orientierten Argumenten nicht überzeugen. Weis hatte betont, dass bei dichtem Verkehrsaufkommen auf dem Zehlendorfer Damm nur 25 bis 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden kann – von einer Leichtigkeit des Verkehrs könne nicht die Rede sein. Auf der Thälmann-Straße wiederum sei so wenig los, dort könne jederzeit ein Fahrrad überholt werden. Eine gänzlich andere Handhabung im angrenzenden Berlin, die Gefahr, mit Fußgängern zusammenzustoßen – Weis drang nicht durch.

Auch die Gefahr, dass Rad- von Autofahrern an Kreuzungen nicht bemerkt werden und es zu tödlichen Unfällen kommt, stimmte das Gericht nicht um. Richter Steiner bekannte: „Ja, das ist wahr.“ Die Abbiegefälle seien höchst bedauerlich. Aber es entspreche „dem allgemeinen Risiko, das durch Radwege erzeugt wird“. Es ließe sich nur beseitigen, wenn man auch die Radwege beseitigt.

Erschüttert von der Verhandlung war mit Sven Krein ein vor allem im Landkreis Oberhavel bekannter Kritiker in Sachen Verkehr und Infrastruktur. Auch er klagt gegen einen Radwegzwang in seinem Wohnort Velten (Oberhavel). Einen Termin für seine Verhandlung gibt es noch nicht. Er war gekommen, um etwas über die Einstellung des Richters zu diesen Fragen zu erfahren.

Er hätte so einen Prozess vor 20 Jahren erwartet, so Krein, der nicht versteht, dass die Landstraße als „Heilige Kuh“ betrachtet wird. Am liebsten würde er die Klage beim Verwaltungsgericht sein lassen, gleich zum OVG gehen, sagte er nach der Verhandlung. Wenn es denn ginge.