PNN 18.10.13

Millionen für den Abfluss

von Hagen Ludwig und Tobias Reichelt

Grundsatzfrage im Abwasserstreit weiter offen. Von den Gerichten wird eine Antwort darauf erwartet, ob die Verbände überhaupt Beiträge von den Altanschließern nehmen dürfen.

Der Streit um die Altanschließerbeiträge in der Region Teltow ist eskaliert. Auch bei den Nachbarn in Nuthetal kehrt keine Ruhe ein

Teltow/Nuthetal - Riskieren sie eine Pleite, um sich bei den Altanschließern beliebt zu machen? Der Vorsitzende des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „Der Teltow“, Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD), hat schwere Vorwürfe gegen Mitglieder der Verbandsversammlung erhoben. Die hatten sich am Mittwoch auf die Seite der Altanschließer geschlagen und eine Änderung der Beitragssatzung verhindert. Nun stehe der Verband nicht nur vor einer Rückzahlung in Millionenhöhe, sondern womöglich vor der völligen Handlungsunfähigkeit, sagte Grubert.

Es steht viel auf dem Spiel für alle Wasser- und Abwasserkunden, warnte Grubert. Sollten sich die 1300 Altanschließer aus Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf und Nudow durchsetzen, müsste der Verband an sie 8,2 Millionen Euro zurückzahlen. Das sei nur über eine Erhöhung der Gebühren für alle Kunden möglich. Doch die Folgen der Abstimmung vom Mittwoch könnten noch gravierender sein: Gelingt es dem Verband nicht, bis zum 18. November überhaupt eine gültige Satzung aufzustellen, könnten danach gar keine Beiträge und keine Gebühren mehr erhoben werden. „Es ist nicht verboten, sich bankrott zu stimmen“, kommentierte Grubert.

Dass der Verband überhaupt in eine so missliche Lage gekommen ist, hat dabei nichts mit den Altanschließern zu tun. Das Potsdamer Verwaltungsgericht hatte die Satzung des Verbandes im August wegen Fehlern bei der Beitragsberechnung in einem Paragrafen beanstandet. Konkret ging es darum, dass für die Bezahlung von Abwasseranschlüssen die Bebaubarkeit der Grundstücke und andere Aspekte unzureichend berücksichtigt wurden. Weil bei einer Satzungsänderung jedoch über die komplette Satzung abgestimmt werden muss, sahen die Altanschließer ihre Chance gekommen, den Druck auf die Verbandsmitglieder zu erhöhen. Mit Erfolg.

„Die Abstimmung wurde missbräuchlich genutzt, um eigene Interessen durchzusetzen“, sagte Grubert. Er sprach von einer „gefährlichen Situation“ und hat ein Rechtsgutachten über die Folgen in Auftrag gegeben. Grubert kündigte an, das Gespräch mit den Verbandsmitgliedern suchen zu wollen. Viele hatten am Mittwoch auf eine Entlastung der Altanschließer beharrt, darunter der Stahnsdorfer Bürgermeister Bernd Albers (BfB). Er forderte eine differenzierte Regelung. „Es wäre der richtige Moment, das Leid zu lindern.“ Ein dementsprechender Antrag wurde in der Sitzung mit Verweis auf Fristen abgewiesen.

Nun drängt die Zeit. Spätestens am 14. November müsste der Zweckverband erneut tagen. Andreas Wolf, Vertreter einer Altanschließer-Initiative aus Teltow, forderte, die Satzung weiter abzulehnen, wenn sie keinen Kompromiss für die Altanschließer beinhalte. Verbandsvorsteher Grubert verwies indes darauf, dass auch die neue Satzung – selbst wenn sie Vorteile für die Altanschließer biete – gerichtsfest sein muss. Man dürfe auch die Neuanschließer nicht benachteiligen.

Dass es anders geht, beweist das Beispiel aus dem benachbarten Zweckverband „Mittelgraben“. Auch dort war die Beitragsssatzung vom Verwaltungsgericht gekippt worden. Die Satzungen waren im Wesentlichen identisch. Im Gegensatz zum Verband „Der Teltow“ bestand bei den Vertretern aus Michendorf und Nuthetal aber Einigkeit über die Änderung. Laut Verbandsvorsteher Reinhard Mirbach hat die Verbandsversammlung am Mittwochabend einer Neufassung einstimmig zugestimmt. Erkennt das Gericht diese an, bleiben die Beitragsbescheide an etwa 400 Altanschließer, die für den Bereich „Mittelgraben“ ausschließlich in Nuthetal ansässig sind, gültig. Als Altanschließer gilt, wer vor 1990 ans Netz ging.

„Die vom Gericht beanstandeten Punkte sind jetzt geheilt“, sagte Mirbach den PNN. Er hoffe, dass sich das Gericht in der Folge nun auch mit der Grundsatzfrage der Altanschlüsse befasse. Nur so könne der juristische Streit mit unzufriedenen Beitragszahlern beendet und Planungssicherheit für den Verband hergestellt werden. Der Nuthetaler Interessenverein für Wasser und Abwasser (IWA) strebt bereits ein erneutes gerichtliches Eilverfahren mit weiteren Argumenten gegen die Beitragssatzung an, wie dessen Vorsitzender Heinrich Petzold am Donnerstag gegenüber den PNN ankündigte. Laut Mirbach sind alle Beitragsbescheide an Altanschließer in Nuthetal verschickt und auch die ersten Ratenzahlungen in Härtefällen vereinbart worden. Die Widerspruchsquote betrage 99 Prozent. In der Region Teltow ist die Quote ähnlich.

Auf der „Mittelgraben“-Verbandsversammlung sind laut Mirbach am Mittwoch auch die ersten Ergebnisse der Tiefenprüfung durch ein beauftragtes Wirtschaftsprüfungsunternehmen eingegangen. Dem Verband sei bestätigt worden, dass er wirtschaftlich gesund arbeite. In die Schieflage sei er durch einen Kassenkredit in Höhe von etwa 3 Millionen Euro gekommen. Wie berichtet haben beide Gemeinden beschlossen, in den nächsten drei Jahren 1,5 Millionen Euro als Verbandsumlage zuzuschießen, um den Kassenkredit auszugleichen.

Vom Wirtschaftsprüfer sei dieser Schritt positiv bewertet worden ebenso wie die Erhöhung des Abwasserpreises mit Wirkung vom 1. Oktober, so Mirbach. Wie berichtet hatte Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) zur Beschlussfassung über die neuen Trink- und Abwasserpreise eine Liste ihrer Meinung nach noch ungeklärter Fragen vorgelegt. Er habe diese Fragen jetzt an die Kommunalaufsicht zur Prüfung geschickt, sagte Mirbach. Der Verein IWA beschloss am Mittwochabend indes, mit einem Normenkontrollverfahren gerichtlich gegen die neuen Gebühren vorzugehen. „Unserer Meinung nach liegt ihnen eine falsche Kalkulation zugrunde“, so Petzold.