PNN 26.8.13

Einbrüche in Kleinmachnow Mit DNA-Farbspuren gegen Diebe

von Tobias Reichelt und Jörn Hasselmann

Ob Fernseher oder Laptop - ein Farbcode mit künstlicher DNA werden nun Gegenstände markiert. Im Falle eines Einbruches können sie leichter von der Polizei als die gestohlene Ware identifiziert werden. In Kleinmachnow werden jetzt Schutzsets verkauft, Berlin hingegen hält sich zurück.

Chaos, es herrschte einfach nur Chaos, erzählt Rosina Kühn. Das ganze Haus hatten die Einbrecher durchsucht, Betten aufgerissen, Schubladen ausgeschüttet und sogar die Abstellkammer auf dem Dachboden durchwühlt. „Ich fühle mich in meinem eigenen Heim nicht mehr wohl“, sagt die Kleinmachnowerin. Schon zwei Mal seien die Diebe da gewesen. Schmuck, Münzen, Erinnerungen waren für immer verschwunden.

Polizei scheint gegen Diebe machtlos

Egal, welchen Kleinmachnower man in dieser Woche im Rathaus ansprach – die Geschichten ähnelten sich: Die Polizei allein scheint gegen die Klauerei machtlos, deshalb hat nun die Gemeinde reagiert.

Unverwechselbare Farbkleckse sollen Einbrecher und Autodiebe überführen helfen. Durch künstliche DNA, aufgetragen auf Laptops, Fahrrädern oder Autoteilen, will man Diebesgut dem Besitzer wieder zuordnen können. Vor allem aber soll der einfache Pinselstrich Diebe abschrecken.

„Wir mussten etwas machen“, sagt Bürgermeister Michael Grubert (SPD). 97 Hauseinbrüche zählte die Polizei voriges Jahr im Ort, rund 400 Navigationsgeräte wurden gestohlen. Kleinmachnow, angeschlossen an die Autobahn, ist beliebt bei Dieben. Deshalb entschied sich die Gemeinde, 1000 DNA-Grundausrüstungssets zu erwerben. Kleinmachnow zählt damit zu den 15 Projektkommunen in Brandenburg, in denen die DNA-Farbspuren in möglichst vielen Haushalten zum Einsatz kommen sollen.

Durch Schwarzlichtlampe wird die künstliche DNA sichtbar

Dafür verkauft das Rathaus die Sets jetzt rechtzeitig vor Beginn der dunklen Jahreszeit zum Einkaufspreis von 45 Euro – deutlich günstiger als andere. Vor einer Woche startete der Verkauf mit einer ersten Informationsveranstaltung, am 27. August sowie am 3. September, jeweils um 18 Uhr, wird es weitere geben. Die Sets können auch zu den regulären Öffnungszeiten des Ordnungsamtes im Rathaus erworben werden. Zuschlagen können nicht nur die Kleinmachnower, sondern auch alle anderen Interessenten.

„Wir wollen zeigen, dass sich der Ort zu dem Projekt bekennt“, sagt Grubert. Die Chancen stehen gut, dass Teltow und Stahnsdorf nachziehen. Auch in den Rathäusern von Werder (Havel) und Schwielowsee will die Polizei im September für das Projekt werben, kündigte Polizeikommissarin Anja Mischur an. Mit Tobias Vogel von der Firma SDNA aus Schriesheim (Baden-Württemberg) war sie nach Kleinmachnow gekommen, um die künstliche DNA zu erklären.

Das Prinzip ähnelt einer Fahrradcodierung: Die kaum sichtbare Farbe wird auf Uhren, Schmuck oder Fernseher aufgetragen. Per Netzdatenbank wird der Code der Polizei zugänglich gemacht. Wird dann zum Beispiel eine wertvolle Uhr gestohlen und fällt bei einer Kontrolle auf, leuchten die Beamten das Objekt mit einer Schwarzlichtlampe ab. Der Lack reagiert auf das UV-Licht und leuchtet lila. So werden Täter überführt und die Uhr kommt zurück zu ihrem Besitzer.

Einbrüche verhindern: "Wichtig ist die abschreckende Wirkung"

Doch das funktioniert nur, wenn die Täter erwischt werden. „Wichtiger ist die Abschreckung“, sagt Tobias Vogel von der Herstellerfirma. Wo sich in einem Quartier viele Anwohner entscheiden, die Farbe einzusetzen, habe man gute Erfahrungen gemacht. So habe die Polizei in einem Bremer Stadtteil zehnmal weniger Einbrüche registriert als vor dem Einsatz der DNA. Bei einer Umfrage unter festgenommenen Einbrechern hätten 65 Prozent angegeben, sich durch die Farbe abschrecken zu lassen. „Ihnen ist das Risiko zu groß, erwischt zu werden.“

Wie fast alle der rund 80 Besucher der ersten Informationsveranstaltung reihten sich Doris Hoppe und auch Rosina Kühn in die Verkaufsschlange ein. „Die Angst im Ort ist groß“, sagte Doris Hoppe. „Wichtig ist die abschreckende Wirkung“, fügte Rosina Kühn hinzu und zeigte die Aufkleber, die zum Set gehören. Sie wolle nicht nur Wertgegenstände einpinseln, sondern auch die Hinweise am Haus verteilen. Vielleicht klebt sie auch ein Schild ans Fenster zum Garten, wie es der Bürgermeister empfohlen hat.

Möglicherweise zeigt die neue Technik erste Erfolge. Nachdem in Berlin, Potsdam und dem Umland die Einbruchszahlen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen waren, gab es zuletzt eine Besserung: Iin Potsdam gab es in den ersten Ferienwochen deutlich weniger Einbrüche als in den Vorjahren. Ein Polizeisprecher hatte neben dem seit Jahresbeginn verstärkten Ermittlungsaufwand auch den Einsatz künstlicher DNA als möglichen Grund genannt.

In Deutschland wurde die DNA-Technik zuerst 2009 in Bremen eingesetzt, in einem Pilotprojekt zum Schutz wertvoller Objekte und Computer an Schulen. Wegen der massiv gestiegenen Metalldiebstähle propagieren seit zwei Jahren große Konzerne die DNA, allen voran die Deutsche Bahn und die Telekom. Bei der Berliner Polizei gibt es noch keine Informationen zum Thema – und auch keine weitergehenden Pläne.


So funktioniert die künstliche DNA

Fernseher, Laptops, Uhren, Schmuck, Navis – die Einsatzgebiete der künstlichen DNA sind vielseitig. Winzige Microdots, bei Tageslicht in durchsichtige Farbe eingeschlossen, sollen die Polizei zum Besitzer von Diebesgut führen. Die Funkstreifen in Brandenburg sollen dafür mit Schwarzlichtlampen und Lesegeräten ausgestattet werden. Selbst wenn die Täter die Farbkleckse abschleifen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie nicht alles erwischen. Empfohlen wird, den Lack an schwer zugänglichen Stellen aufzutragen, zum Beispiel an Lüftungsschlitzen oder Schraubenvertiefungen. Der Lack kann auch auf Schmuck aufgetragen werden. Die in Kleinmachnow verkauften Sets sind nur für den Innenbereich geeignet. Ein Set reicht für 50 bis 70 Markierungen. Oft reicht ein Pinselstrich von ein bis zwei Zentimetern. Nach dem Einpinseln folgt der Eintrag in die Datenbank. Darauf kann die Polizei zugreifen. Die Nutzung dieser Datenbank ist drei Jahre kostenlos. Wer danach Änderungen vornehmen will, muss 7,50 Euro jährlich zahlen.