In Kleinmachnow hat der Verkauf künstlicher DNA begonnen. Der Farbcode schreckt wirkungsvoll Einbrecher ab
Kleinmachnow - Chaos, es herrschte einfach nur Chaos, erzählt Rosina Kühn. Das ganze Haus haben die Einbrecher durchsucht, Betten aufgerissen, Schubladen ausgeschüttet und die Abstellkammer auf dem Dachboden durchwühlt. „Ich fühle mich in meinem eigenen Heim nicht mehr wohl“, sagt die Kleinmachnowerin. Schon zweimal seien die Diebe da gewesen. Schmuck, Münzen, Erinnerungen waren auf einmal für immer verschwunden. Nichts stand, wo es war.
Egal welchen Kleinmachnower man am Dienstagabend im Rathaus ansprach, die Geschichten ähnelten sich: Die Polizei alleine scheint gegen die Klauerei machtlos, deshalb hat nun die Gemeinde reagiert. Unverwechselbare Farbkleckse sollen Einbrecher und Autodiebe im Ort überführen. Künstliche DNA, aufgetragen auf Laptops, Fahrrädern oder Autoteilen, soll helfen, Diebesgut dem Besitzer zuzuordnen. Vor allem soll der einfache Pinselstrich aber Diebe abschrecken.
„Wir mussten etwas machen“, sagt Bürgermeister Michael Grubert (SPD). 97 Hauseinbrüche zählte die Polizei voriges Jahr im Ort, rund 400 Navigationsgeräte wurden gestohlen – statistisch mehr als eins am Tag. Kleinmachnow, gelegen im wohlhabenden Speckgürtel und angeschlossen an die Autobahn, ist beliebt bei Dieben. Deshalb entschied sich die Gemeinde, 1000 DNA-Grundausrüstungssets zu erwerben. Kleinmachnow zählt damit zu den 15 Projektkommunen in Brandenburg, in denen die DNA-Farbspuren in möglichst vielen Haushalten zum Einsatz kommen sollen.Dafür verkauft das Rathaus die Sets jetzt rechtzeitig vor Beginn der dunklen Jahreszeit zum Einkaufspreis von 45 Euro – deutlich günstiger als andere. Am Dienstagabend startete der Verkauf mit der ersten Informationsveranstaltung, am 27. August sowie am 3. September jeweils um 18 Uhr wird es weitere geben. Die Sets können auch zu den regulären Öffnungszeiten des Ordnungsamtes im Rathaus erworben werden. Zuschlagen können nicht nur die Kleinmachnower, sondern auch alle anderen Interessenten.
„Wir wollen zeigen, dass sich der Ort zu dem Projekt bekennt“, so Grubert. Die Chancen stehen gut, dass Teltow und Stahnsdorf nachziehen. Auch in den Rathäusern von Werder (Havel) und Schwielowsee will die Polizei im September für das Projekt werben, kündigte Polizeikommissarin Anja Mischur an. Mit Tobias Vogel von der Firma SDNA aus Schriesheim (Baden-Württemberg) war sie nach Kleinmachnow gekommen, um die künstliche DNA zu erklären.
Das Prinzip ähnelt einer Fahrrad-Codierung: Die kaum sichtbare Farbe wird auf Uhren, Schmuck oder Fernseher aufgetragen. Per Netzdatenbank wird der Farbcode der Polizei zugänglich gemacht. Wird dann zum Beispiel eine markierte wertvolle Uhr gestohlen und fällt der Polizei bei einer Kontrolle auf, leuchten die Beamten das verdächtige Objekt mit einer Schwarzlichtlampe ab. Der Lack reagiert auf das UV-Licht und leuchtet lila zurück. So werden Täter überführt und die Wertsachen kommen zurück zu ihren Besitzern.
Doch das funktioniert nur, wenn die Täter erwischt werden. „Wichtiger ist deshalb die Abschreckung“, sagt Tobias Vogel von der Herstellerfirma. Wo sich in einem Quartier viele Anwohner entscheiden, die Farbe einzusetzen, habe man sehr gute Erfahrungen gemacht. So habe die Polizei in einem Bremer Stadtteil zehnmal weniger Einbrüche registriert als vor dem Einsatz der DNA. Bei einer firmeneigenen Umfrage unter festgenommenen Einbrechern hätten 65 Prozent angegeben, sich durch die Farbe abschrecken zu lassen. „Ihnen ist das Risiko zu groß, damit erwischt zu werden.“
Wie fast alle der rund 80 Besucher der ersten Informationsveranstaltung reihten sich Doris Hoppe und auch Rosina Kühn in die Verkaufsschlange ein. „Die Angst im Ort ist groß“, sagte Doris Hoppe. „Was ich wichtig finde, ist die abschreckende Wirkung auf die Räuber“, fügte Rosina Kühn hinzu und wedelte mit den Aufklebern, die zum Schutzset gehören. Sie wolle nicht nur ihre Wertgegenstände einpinseln, sondern auch die Warnhinweise am Haus verteilen – vielleicht klebt sie auch ein Schild an das Fenster zum Garten, wie es der Bürgermeister empfohlen hat.
Fernseher, Laptops, Uhren, Schmuck, Navis – die Einsatzgebiete der künstlichen DNA sind vielseitig. Winzige, in bei Tageslicht durchsichtige Farbe eingeschlossene Microdots sollen die Ermittler nach Polizeikontrollen zum Besitzer von Diebesgut führen. Die Funkstreifen in Brandenburg sollen dafür mit Schwarzlichtlampen und Lesegeräten ausgestattet werden. Selbst wenn die Täter die Farbkleckse abschleifen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie nicht alles erwischen. Empfohlen wird, den Lack an schwer zugänglichen Stellen aufzutragen, zum Beispiel Lüftungsschlitzen oder Schraubenvertiefungen. Der Lack ist gesundheitlich unbedenklich, kann auch auf Schmuck aufgetragen werden. Die in Kleinmachnow verkauften Sets sind nur für den Innenbereich geeignet: Fahrräder, Motorräder oder Autoteile sollte man nicht damit einpinseln. Ein Set reicht für 50 bis 70 Markierungen. Oft reicht ein Pinselstrich von ein bis zwei Zentimetern. Nach dem Einpinseln folgt der Eintrag in die Datenbank. Darauf kann Polizei zugreifen. Die Nutzung der Datenbank ist drei Jahre kostenlos. Wer danach Änderungen vornehmen will, muss 7,50 Euro jährlich zahlen. Doch auch, wer nicht verlängert: Die Daten werden nicht gelöscht, stehen weiter der Polizei bereit. tor