PNN 29.7.13

Eistanz am Goldstaubviertel

von Henry Klix

Günter Käbelmann vom Heimatverein legte erste Kleinmachnower Ortschronik vor

Kleinmachnow - Eiseskälte in Kleinmachnow: Im Januar 1901 war die Eisdecke auf dem Machnower See üppige 20 Zentimeter dick. Hermann Türck, Wirt des Seelokals, hatte um 14 Uhr zu einem Konzert auf dem Eis eingeladen. Als es dunkel wurde, ging es auf Schlittschuhen mit einem langen Fackelzug über den See, der anschließende Ball in Türcks Lokal war gut besucht. Die erfrischende Episode stammt aus der Kleinmachnower Ortschronik, die Heimathistoriker Günter Käbelmann jetzt vorgelegt hat.

Die Chronik basiert auf Publikationen von Dietloff von Hake, Dieter Mehlhardt, Heinz Koch, Herbert Lange sowie eigenen Aufzeichnungen des 77-jährigen Käbelmanns. Tabellarisch werden von der Steinzeit bis in die Gegenwart lokale und weltgeschichtliche Ereignisse detailreich dargelegt. Im Anhang sind wichtige Lebensdaten aller Bürgermeister – von Förster Funke bis Michael Grubert – angeführt. Am Schluss dann folgen noch ein paar hübsche Episoden.

1375 wurde der Ort im Landbuch der Mark Brandenburg erstmals erwähnt, die Chronik beginnt schon mit den ersten Siedlungsspuren steinzeitlicher Nomaden und Elbgermanen, die beim Bau des Teltowkanals entdeckt wurden. Am Bäkeübergang errichteten die Askanier die erste Ritterburg auf dem Areal, auf dem später die Alte Hakeburg entstehen sollte. Wann stand die erste Schule? Wie viele Einwohner hatte der Ort 1800? Wann begann die Herrschaft derer von Hakes und wann endete sie? Solche Fragen lassen sich mit dem 73 Seiten dicken Werk leicht beantworten. Man erfährt, dass die erste,1903 entstandene Villenkolonie am Zehlendorfer Damm im Volksmund „Goldstaubviertel“ genannt wurde, dass auf dem Weinberg 1905 der letzte Wein gelesen wurde oder dass 4800 Kleinmachnower in der DDR-Zeit in den Westen getürmt sind.

Käbelmann recherchierte dafür fast 20 Jahre. Der gebürtige Kleinmachnower hat seine Karriere als Ortschronist 1988 begonnen: Damals war er Kfz-Meister beim „Kfz-Hilfsdienst“ Max Reimann und verfasste eine Chronik zum Betriebsjubiläum. Seitdem seien immer wieder alle möglichen Leute auf ihn zugekommen und hätten um Unterstützung gebeten. Bis heute ist Käbelmann Archivar des Kleinmachnower Heimatvereins. „Bislang gab es nur für einzelne Zeitepochen chronologische Aufstellungen von meinen Vorgängern“, sagte er gegenüber den PNN. Das wollte er mal ändern.

Bemerkenswert sind Käbelmann Aussagen zu den Kriegstoten des Ortes. Demzufolge hatte Kleinmachnow infolge des Zweiten Weltkrieges 660 Opfer zu beklagen, 240 davon Zivilisten, die in Konzentrationslagern, bei Bombenabwürfen, Kampfhandlungen und durch Selbstmord ums Leben kamen – oder von Sowjetsoldaten erschossen wurden. Die von Hakes und deren Erben wurden 1945 entschädigungslos enteignet – und erhielten auch nach 1990 nichts zurück.

Spannend auch, seit wie vielen Jahrezehnten es schon Fusionsbestrebungen mit den Nachbarn gegeben hat: So hat Stahnsdorf 1947 ein Kleinmachnower Angebot abgelehnt, eine gemeinsame Stadtgemeinde zu bilden. Aus dem Jahr 1972 liegt ein Gemeinderatsbeschluss vor, wonach im November der Gemeindeverband Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf zu bilden ist. Auf der anderen Seite gibt es 1953 das Gerücht, dass der komplette Ort Kleinmachnow nach Thüringen umgesiedelt werden soll – zwecks verbesserter Grenzsicherung.

Hinter vielen solcher Daten stehen Geschichten, die in dem Werk nicht erzählt werden. Käbelmann betont, dass es sich um eine „Kurzchronik“ handele. Er verweist auf die Arbeit seines Vereinskollegen Harald Kretzschmar, der sich in seinem vor fünf Jahren erschienenen Buch „Paradies der Begegnungen“ den Lebensläufen Kleinmachnower Persönlichkeiten zugewandt hat. Immerhin gibt es bei Käbelmann das halbe Dutzend Episoden am Ende des Werks – wie die vom Fluchttunnel aus alter Zeit, den es angeblich mal unter dem Machnower See zwischen alter Hakeburg und Seeberg gegeben haben soll. Ein Ein- oder Ausgang wurde nicht gefunden – bisher jedenfalls.

Zu erwerben in der Buchhandlung Natura, Adolf-Grimme-Ring 12, für 7,90 Euro