PNN 26.7.13
An der Machnower Schleuse bleiben die Tore dicht und auf dem Teltowkanal herrscht absolute Ruhe
Kleinmachnow - Die Berufsschifffahrt und auch die Freizeitkapitäne haben sich auf den Streik eingestellt. An der Schleuse Kleinmachnow bleiben seit Donnerstagfrüh alle Tore geschlossen, doch nicht ein Schiff muss abgewiesen werden. Es kommt einfach keines. Der Teltowkanal ist zum Ruhebiotop geworden, nur die Verdi-Fahne auf dem Schleusentor flattert im lauen Wind. Am Fenster des Dienstgebäudes verkündet ein Schild: „Dieser Betrieb wird bestreikt.“
Sonst herrscht mitten in der Sommersaison vor der Kleinmachnower Schleuse spätestens ab 9.30 Uhr Hochbetrieb. Sportbootführer aus allen Ecken Deutschlands, aber auch aus den Niederlanden, Großbritannien oder Spanien warten manchmal bis zu zwei Stunden auf die Schleusung. Vorrang haben die etwa 15 Lastschiffe, die täglich den Teltowkanal befahren. Bis zu 90 Sportboote werden normalerweise an Sommertagen an der Schleuse Kleinmachnow gezählt.
Ihre Zahl hat zugenommen, seit nur noch Boote mit über fünf PS und einer Funkanlage die Berliner Mühlendamm-Schleuse und damit die Route durch das Regierungsviertel nutzen dürfen. Als Alternativstrecke bleibt der Teltowkanal. Doch gerade Freizeitkapitäne benötigen an den Schleusen oft Hilfestellung. Das ist nur noch bedingt möglich. Denn wie viele andere Schleusen auch sei Kleinmachnow nur noch mit einem Diensthabenden besetzt, der seinen Arbeitsplatz hinter den Monitoren in der Regel nicht verlassen dürfe, sagt die Betriebsratsvorsitzende vom WSA Berlin, Christel Björkman.Wie berichtet wollen die Beschäftigten des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) mit dem Streik den Druck im Tarifstreit mit dem Bund erhöhen. Ziel ist es, den geplanten Wegfall von etwa 3000 von rund 12 000 Arbeitsplätzen bundesweit in einem Tarifvertrag sozialverträglich abzufedern. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat wesentliche Forderungen wie Kündigungsschutz oder Schutz vor Lohneinbußen zwar mündlich zugesichert. Die Gewerkschaft fordert jedoch eine tarifvertragliche Regelung. Von dem Streik, der bis Samstag, 24 Uhr, andauern soll, sind alle sechs Schleusen in Berlin sowie zehn Schleusen in Brandenburg betroffen.
Trotz des Streiks ist die Kleinmachnower Schleuse am Donnerstag besetzt. Eine Mitarbeiterin steht bereit, um in Notfällen Booten der Wasserschutzpolizei oder der Feuerwehr die Durchfahrt zu ermöglichen. Mit Pressevertretern darf sie nicht sprechen. Sie habe Weisung von der WSA-Leitung, sagt sie. Das muss auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein erfahren, die gegen 12 Uhr mit einem Team des lokalen Fernsehsenders „Teltowkanal“ eintrifft. Ihr wird der Zutritt auf das Schleusengelände durch die WSA verwehrt. „Ich bin doch sehr verwundert darüber, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ihren Mitarbeitern einen Maulkorb verhängt hat“, sagt Wicklein. Akzeptabel sei das nicht.
Die Reformpläne des Bundes stoßen bei der SPD-Politikerin auf Protest, auch weil sich – wie sie sagt – 2500 der auf der Streichliste stehenden 3000 Stellen im Osten Deutschlands befinden würden. Damit würden vor allem die ostdeutschen Standorte ihre Funktion als Anlaufstelle für die regionale Wirtschaft, für Länder und Kommunen verlieren, so Wicklein.
Besonders betroffen sind vom Streik die Ausflugsreedereien in Berlin. Aber auch die Weisse Flotte Potsdam musste für eine geplante Fahrt in die Berliner Innenstadt am Donnerstag eine Alternativroute suchen. Geschäftsführer Jan Lehmann sagt, er habe schon ein bisschen Verständnis für den Streik. „Auf unseren Fahrten durch Berlin stellen wir fest, dass das Personal an den Schleusen deutlich reduziert wurde. Das kann auch nicht in unserem Sinne sein“, so Lehmann.
Ähnliche Erfahrungen hat auch Freizeitkapitän Wolfgang Besche gemacht. Er stammt aus Köln, Heimathafen seiner hochseetüchtigen Segelyacht mit einem 35-PS-Motor ist Breege auf Rügen. Derzeit ist er mit wechselnder Crew auf einer 14-wöchigen Tour durch Mecklenburg und Brandenburg – zurzeit liegt die Yacht in der Potsdamer Marina am Tiefen See. „Ähnliche Touren habe ich bereits 2007 und 2010 unternommen, seitdem sind viele Schleusen automatisiert worden“, sagt er. Weil damit auch immer der Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sei, habe er Verständnis für die aktuellen Streiks.
Ganz persönlich vermisse er den Kontakt zu den Schleusenwärtern. „Sie hatten immer einen guten Tipp, wenn es darum ging, zum Beispiel eine geeignete Anlegestelle oder das nächste gute Fischrestaurant zu finden“, erzählt der Kölner.
Berlin hat Wolfgang Besche mit seiner Crew noch vor dem Streik passiert. In den kommenden Tagen wollen sie die Gewässer rund um Potsdam und Werder (Havel) erkunden. „Die Landschaft hier ist ein Traum“, sagt er. Dann soll es weitergehen über Havel, Elbe und die Müritz zurück nach Rügen. „Am kommenden Donnerstag stehen wir wieder vor einer Schleuse in Brandenburg an der Havel. Ich hoffe, dass der Streik dann beendet ist und die Parteien sich geeinigt haben“, sagt Besche.