PNN 1.7.2013
Die Linie 96 verband die Region Teltow einst mit Berlin. Jetzt wurde die alte Straßenbahn restauriert
Region Teltow - Als die alte Straßenbahn 96 noch fuhr, grasten manchmal Schafe in unmittelbarer Nähe der Strecke. Seither hat sich nicht nur in der Teltower Region vieles verändert, auch die alte 96 hat seit fünf Jahren einen Ehrenplatz an ihrer einstigen Endhaltestelle an der Kleinmachnower Schleuse erhalten. Vor Jahren noch in einem bemitleidenswertem Zustand, strahlt der alte Triebwagen, Baujahr 1929, seit dem Wochenende fast wie neu. Viele fleißige Hände haben dafür gesorgt, dass die Bahn als Tourismusattraktion nach einjähriger Restaurierung nun wieder für interessierte Besucher geöffnet werden konnte.
Neben dem Kleinmachnower Bauhof waren das vor allem Handwerksbetriebe aus der Region wie die Holzwerkstatt Potsdam und die Nuthetaler Blechwerkstatt Matthias Weber. Alte Stoffe und Polsterbezüge von Berliner U-Bahnen hatte der Kleinmachnower Raumausstatter Rolf Hegenbart auftreiben können, um das Innere des Wagens möglichst wieder originalgetreu herzurichten. Für Landrat Stubenrauch, alias Rudolf Mach vom Kleinmachnower Heimatverein, war das am Sonntagnachmittag Anlass genug, im schwarzen Gehrock und Zylinder auf dem Haupte die Bitte vorzutragen, die Straßenbahn 96 möge doch nun in die Denkmalliste des Kreises aufgenommen werden.
Zu seiner Zeit maß Landrat Stubenrauch dem Verkehrswesen große Bedeutung bei und in einem neuen Film über „Die Straßenbahnlinie 96 – Das Gestern und Heute“, den Eberhard Derlig und Peter Hahn produzierten, wird deutlich, wie recht er hatte. So empfahl er 1905 dem Kreistag, das Straßenbahn-Unternehmen mit allem Zubehör zu kaufen und den Dampfbetrieb in einen elektrischen Betrieb umzuwandeln. Schon 1881 war eine elektrische Straßenbahn vom Bahnhof Lichterfelde Ost bis zur Kadettenanstalt Lichterfelde von Siemens in Betrieb genommen worden. Doch die Teltower Kreisbahn wurde anfangs noch mit Dampf betrieben und die Initiative dazu ging von Teltower Bürgern aus, die endlich eine Verbindung zum nächsten Bahnhof haben wollten. Denn die Eisenbahnlinien der Preussischen Staatsbahn, die Potsdam und Berlin verbanden, führten in großer Entfernung an der Kreisstadt vorbei. So wurde 1887 die „Aktiengesellschaft Dampfstraßenbahn Groß-Lichterfelde – Seehof – Teltow“ gegründet. Allerdings entgleiste die Dampfstraßenbahn bei ihrer Jungfernfahrt bereits in der ersten Kurve (siehe Kasten). Mit anderthalb Monaten Verspätung wurde die 5,2 Kilometer lange Strecke dann „schon am 1.Juli unter Beteiligung zahlreicher prominenter Gäste feierlich eingeweiht“, wie der Chronist vermeldet. Die Fahrzeit betrug vom heutigen Bahnhof Lichterfelde Ost bis zum Ruhlsdorfer Platz 30 Minuten.
Zwei Jahre nach der Inbetriebnahme wurde die Schienenstrecke bis nach Stahnsdorf verlängert und 1905 abermals um 1,7 Kilometer bis zur Machnower Schleuse erweitert. Dem Dampftriebwagen, zu jener Zeit noch mit Koks befeuert, bereitete die leichte Steigung in Seehof Schwierigkeiten, weshalb Fahrgäste manchmal sogar ein kurzes Stück aussteigen mussten. Das brachte der Bahn den Spitznamen „Lahme Ente“ ein.
1907 ersetzte man Dampfstraßenbahnen durch elektrische Triebwagen. Einige Besucher der Wiedereröffnung am Sonntag waren früher selbst noch mit der alten 96 gefahren. Die Strecke verlief bis in die Berliner Behrensstraße und dauerte rund anderthalb Stunden. Von Lichterfelde bis zur Machnower Schleuse betrug der Fahrpreis 30 Pfennig. Vor dem Mauerbau wechselten sich die Schaffner aus Ost und West immer an der Grenze zwischen Lichterfelde und Teltow ab. Der Mauerbau unterbrach den Verkehr nach Lichterfelde, die Fahrgastzahlen brachen ein und ab Oktober 1961 wurde der Straßenbahnbetrieb eingestellt.