PNN 20.2.13

"Wir sind schon öfter reingelegt worden"

von Tobias Reichelt und Hagen Ludwig

&xnbsp;

Fünf Stunden Schlaf nur? Mit zahlreichen Protestaktionen haben die Bürgerinitiativen wie hier vor der Staatskanzlei in Potsdam in den vergangenen Monaten für ein strenges Nachtflugverbot gekämpft.

Trotz der Freude über die Kehrtwende in Sachen Nachtflugverbot überwiegt in der Region die Skepsis

Potsdam-Mittelmark - Die Überraschung für die Fluglärmgegner der Region war groß: Kurz vor der Mittagspause erreichte viele am Dienstag die Nachricht von der Kehrtwende der rot-roten Landesregierung in Sachen Nachtflugverbot. Mitten in den Vorbereitungen für den Volksentscheid über eine Ausweitung des Flugverbots gab Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den Kernforderungen der Bürgerinitiativen nach. Er will sich für eine strengere Regelung einsetzen. Doch trotz der Freude bleibt die Skepsis groß.

Das Geld wird trotzdem verbrannt, kündigte Roland Skalla von der Stahnsdorfer Fluglärminitiative schon mal vorsorglich an. Für Freitagmittag haben die Lärmgegner zu einer weiteren Mahnwache vor der Staatskanzlei eingeladen, zu einer symbolischen Geldverbrennung. Und dabei soll es bleiben: „ Wir haben es mit Politikern zu tun und zu oft waren es nur warme Worte, die von ihnen kamen“, sagte Skalla. Man glaube erst an einen Sinneswandel, wenn er schwarz auf weiß dokumentiert wurde.

Das sieht auch Matthias Schubert, Sprecher der Kleinmachnower Bürgerinitiative, so: „Wir Anwohner sind schon öfter reingelegt worden.“ Die gesamte Debatte um den Großflughafen in Schönefeld, den Lärmschutz und die Flugrouten habe das in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. Deshalb wolle man weiter an den Planungen für einen landesweiten Volksentscheid arbeiten – der nächsten Stufe des erfolgreichen Volksbegehrens.

106 000 Brandenburger hatten im vergangenen Jahr für ein erweitertes Nachtflugverbot unterschrieben. Im März hätte der Landtag über das Begehren beraten sollen, bei einer Ablehnung würde es zum Volksentscheid kommen. Die Vorbereitungen der Bürgerinitiativen dafür liefen bereits auf Hochtouren. Erste Plakate sind entworfen und Spenden gesammelt. Unklar ist, ob sie nach der Ankündigung Platzecks, dem Druck des Volksbegehrens nachzugeben und sich für ein strengeres Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr einzusetzen, noch gebraucht werden.

Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) sprach am Dienstag von einem Teilerfolg. Ihre Gemeinde liegt nur 25 Kilometer entfernt vom Schönefeld und wird von anfliegenden Maschinen in einer Höhe von etwa 900 Metern überquert. Platzecks Ankündigung sei ein wichtiges Signal aus Brandenburg an den Bund und das Land Berlin, erklärte sie. Auch Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) begrüßte das Vorgehen ausdrücklich. Schließlich seien mehr als 100 000 Unterschriften ein klares Bekenntnis zum erweiterten Nachtflugverbot, das man nicht ignorieren könne.

Schmidts Amtskollegen aus den Nachbarkommunen bleiben hingegen skeptisch, denn auch der Bund und Berlin haben noch ein Wort mitzureden: „Ich erwarte deshalb, dass es nicht nur ein Lippenbekenntnis ist“, sagte Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers (BfB). Die Verhandlungen müssten mit Nachdruck geführt werden, wolle man die Akzeptanz des Flughafens steigern. Auch in Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) keimt die Angst, dass die angekündigten Verhandlungen nur zum Schein geführt werden. „Ich erwarte, dass sich die Regierung konsequent für unsere Ziele einsetzt“, sagte Grubert. Auch wenn das bedeuten würde, den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenbau, der auch Flugrouten und das Nachtflugverbot regelt, erneut anzufassen. Bislang hat Platzeck das abgelehnt. „Schon deshalb müssen wir den politischen Druck aufrechterhalten“, sagt Initiativensprecher Schubert. Allein mit bloßen Verhandlungen mit dem Bund und Berlin werde man nicht weit kommen.

Das sehen andere Fluglärmgegner genauso: „Wir haben die Sorge, dass sich die Landesregierung hinter einem Nein von Bund und Berlin versteckt“, sagte Antje Aurich-Haider von der Teltower Fluglärminitiative. „Die Regierung sollte nicht versuchen, die Menschen auf die Schippe zu nehmen“, warnte sie und kündigte an, weiter wachsam bleiben zu wollen. „Die Füße halten wir jetzt jedenfalls nicht still.“ Das sieht auch Wolfgang Brenneis von den Stahnsdorfer Fluglärmgegnern so: Feiern wie nach dem erfolgreichen Volksbegehren werde es jetzt nicht geben. „Ich bin zwar erleichtert, dass die politische Willensbekundung in der Welt ist, aber es bleibt noch eine Menge Überzeugungsarbeit in Berlin und beim Bund zu leisten.“

Der Sprecher der Bürgerinitiative Havelseen, Peter Kreilinger, sprach von einem Sieg der Vernunft. „Jedoch gilt es jetzt genau hinzusehen, ob es sich nicht um eine Scheinunterstützung oder ein politisches Manöver handelt“, so der Werderaner. Wenn die Landesregierung tatsächlich ein umfassendes Nachtflugverbot wolle, könne sie unverzüglich auch im Alleingang handeln. Insbesondere sei die Betriebsgenehmigung für den neuen Flughafen, mit der auch die Flugzeiten eingeschränkt werden können, noch nicht rechtskräftig. Der Werderaner Anwalt Philipp Heinz habe dagegen bereits rechtzeitig Klage eingereicht. Die zuständige Behörde könnte zudem sofort höhere Lärmgrenzwerte festlegen, so Kreilinger.