PNN 7.2.13

Mittelmark bleibt gefährliches Pflaster für Kinder

von Eva Schmid

Aufgepasst. Die Kinder im Landkreis sind wachsam. Unfälle passieren, weil Verkehrsteilnehmer die Schulen schwer erkennen.

Studie: Überdurchschnittlich hohe Zahlen an verunglückten Kindern. Landkreis will die Schulwege sicherer machen

Potsdam-Mittelmark - Die Zahlen sind dramatisch: Der kürzlich veröffentlichte Kinderunfallatlas bescheinigt dem Landkreis Potsdam–Mittelmark eine „hohe Unfallbelastung“. Von tausend Kindern verunglückten im Zeitraum von 2006 bis 2010 jährlich im Landkreis etwa 3,44 Kinder. Besonderes gefährdet sind laut Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen, die den Atlas erstellt, radelnde Kinder und Kinder als Beifahrer in einem Pkw. Der vom Landkreis im Jahr 2011 erstellte Schulwegsicherheits-Report enthält ähnliche Zahlen. Das Papier weist sogar 3,7 verunglückte Kinder bis 15 Jahre pro Jahr aus. Die Durchschnittswerte des Landes liegen bei 3,02 Unfällen, in der Landeshauptstadt sogar nur bei 2,71. In vergleichbar großen Landkreisen sind laut Atlas die Unfallszahlen ebenfalls nicht so hoch: Im bayrischen Erding sind es nur 2,33 pro tausend Kinder, der niedersächsische Kreis Nienburg/Weser verzeichnete nur einen Wert von 2,22.

Alarmierende Zahlen für die Mittelmärker, die eigentlich Sofortmaßnahmen erfordern. Bereits 2011 beschloss der Kreistag, entsprechende Empfehlungen aus dem Schulwegsicherheits-Report umzusetzen. Erst seit Anfang dieses Jahres wird das Landratsamt nun konkreter: In den nächsten drei Jahren stehen jeweils 30 000 Euro zur Sicherung der Schulwege pro Jahr zur Verfügung. Laut einem Richtlinienbeschluss sollen in den Kommunen mit dem Geld unter anderem Drängelgitter, die als Barrieren den Zugang auf die Fahrbahn verhindern, sowie Signalelemente an Überwegen finanziert werden. Baumaßnahmen fallen aus der Förderung heraus.

„Einfacher wäre es, wenn man vor Schulen und Kitas verkehrsberuhigte Zonen einführt“, sagt der Kreistagsabgeordnete und Borkheider Gemeindevertreter Martin Köhler (Bündnis90/Grüne). Doch dieser Forderung würde die Straßenverkehrsbehörde des Kreises in den seltensten Fällen stattgeben. Auch in Kleinmachnow, der Gemeinde mit den meisten Schulen im Kreis, kennt man die Probleme mit der Behörde. „In den letzten Jahren ist mindestens die Hälfte unserer Erstanträge zur Verkehrsberuhigung abgelehnt worden“, sagt die Fachbereichsleiterin für Bauen und Wohnen, Barbara Neidel. Ihre Strategie: protestieren und die Anträge mehrmals einreichen. Die Straßenverkehrsbehörde sei bei der Ausweisung von verkehrsberuhigten Zonen an Gesetze gebunden, hieß es im Report. Deshalb suche der zuständige Fachbereich im Landkreis nach Alternativen, um das Konzept zur Schulwegsicherheit fortschreiben zu können. Zu den Alternativen zählt unter anderem das Aufstellen der Gitter. Während sich die Verwaltung jedoch fast anderthalb Jahre Zeit ließ, um über die Sicherheit der Kinder zu beraten, sind einige Gemeinden längst selbst aktiv geworden.

„Wir haben eine befristete Stelle für einen Mitarbeiter geschaffen, der Schulwegpläne für Grundschulen in Kleinmachnow ausarbeitet“, erzählt Neidel. Auch eine Litfaßsäule, die den Blick auf den Verkehr versperrte, wurde von der Gemeinde versetzt und Mitte April soll es vor den Schulen autofrei zugehen (PNN berichteten). Das sei dringend nötig, betont Gemeindesprecherin Martina Bellack. „Einerseits beschweren sich die Eltern über die Sicherheit der Schulwege und bringen ihre Kinder daher lieber mit dem Auto zur Schule, andererseits erhöhen sie somit selbst das Gefahrenpotential vor den Schulen“, erklärt sie. Vor Schulbeginn würde es jeden Morgen „absolut chaotisch“ zugehen.

Auch wenn der Landkreis nun aktiv wird und Mittel bereitstellt, ist fraglich, wie diese von den Kommunen abgerufen werden. Die Frist zur Antragsstellung endet in drei Wochen. Weder in Kleinmachnow noch in Michendorf weiß man von der Frist und der Richtlinie.

Hat das Landratsamt vergessen, dies zu kommunizieren? Landkreissprecherin Andrea Metzler konnte am gestrigen Mittwoch auf PNN-Anfrage nicht sagen, ob und wie die Kommunen darüber informiert wurden. Karl-Heinz Oed, Fachbereichsleiter für Bauen und Ordnung in Michendorf, hofft nun auf Klärung: „Wenn es Fördermöglichkeiten gibt, dann wollen wir die auch in vollem Umfang ausschöpfen.“