PNN 14.1.13

Stille Helden in dunkler Zeit

von Kirsten Graulich

 

Eine Stele soll an Kleinmachnower erinnern, die jüdische Mitbürger vor der Deportation retteten

Kleinmachnow – Ilse Munk konnte nur nachts spazieren gehen, meist im Garten des Hauses in der Geschwister-Scholl-Straße 52, in dem sie sich gemeinsam mit ihrem Mann seit 1938 versteckt hielt. Auch Tageslicht erblickten beide selten, denn in ihr Quartier im Heizungskeller drang selten ein Lichtstrahl, da die kleinen Kellerfenster abgedunkelt waren, damit keiner der Nachbarn etwas mitbekam. Sogar die Matratzen wurden aus Gründen der Sicherheit tagsüber unter den Kohlen versteckt. Ihr Überleben in dieser dunklen Zeit des Dritten Reiches verdankt das jüdische Ehepaar Munk den Hausbesitzern, dem Ehepaar Richter, mit dem es schon lange befreundet war. Gefahr für Leib und Leben drohte fortan allen im Haus, auch den Kindern der Hausbesitzer, die von alledem nichts mitbekommen hatten.

An die Kleinmachnower, die angesichts der zunehmenden Verfolgung der Juden nicht dem allgemeinen Druck nachgaben, soll künftig eine Stele der „Stillen Helden“ erinnern und auf dem Platz gegenüber der Einmündung Hohe Kiefer/Förster-Funke-Allee aufgestellt werden, wie Martin Bindemann, Diakon der Evangelischen Kirchengemeinde Kleinmachnow, am Freitagabend im Bürgersaal bekannt gab.

 

Anlass war die Eröffnung einer Ausstellung, in der Helfer und Überlebende vorgestellt werden, deren Namen und Schicksale eine Gruppe der Jungen Gemeinde und der Heimatverein im Rahmen des Stolpersteinprojektes recherchierten. 22 Steine erinnern bereits im Ort an die vom Naziregime Verfolgten. Zu sehen ist bis 31.Januar im Rathausfoyer auch ein Modell der Stele, die im Original einmal eine Höhe von 2,40 Meter haben soll und von den Kleinmachnower Künstlern Julia und Rainer Ehrt entworfen wurde.

Deren Idee – ein Haus mit mehreren Fenstern zu gestalten, in denen auf umklappbaren Metalltafeln jeweils die Namen der Verfolgten und rückseitig die ihrer Helfer eingraviert werden – steht als Symbol für den Zufluchtsort, der die Opfer vor der Deportation bewahrte. Grünes Licht für das Projekt gab der Kulturausschuss Ende letzten Jahres, doch auf finanzielle Förderung aus der Gemeindekasse verzichteten die Akteure des Projekts. Dessen Gesamtkosten von 8000 Euro wollen sie als Spendengelder einwerben.

Auch auf weitere Rechercheergebnisse der Projektgruppe Stolpersteine hat das Künstlerpaar Ehrt die Gestaltung der Stele ausgerichtet, „damit sie weiter wachsen kann“, wie Rainer Ehrt erklärte. Den Namen einer Helferin soll auch der kleine parkartige Platz mit Blumenrondell erhalten: Dr. Margarete Sommer. Sie arbeitete für das „Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin“ und wohnte in der Kleinmachnower Hakenheide 166 (heute Ernst-Thälmann-Straße). Dorthin nahm sie eines Tages auch die 12-jährige Sonja mit, ehe sie das Mädchen in einem katholischen Mädchenasyl unterbringen konnte. Für Sonjas Bruder, Moschje, organisierte sie mehrere Verstecke in Berlin, ehe der 14-Jährige drei Jahre später in der Nähe des Berliner Zoos gefasst und nach Buchenwald deportiert wurde. Er überlebte das Lager, auch Sonja erlebte das Kriegsende und nannte Margarete Sommer später ihren „Rettungsengel“. Mancher wurde auch Retter von Amts wegen, wie Direktor Paul Walewicz von der Eigenherd-Schule, der den Jungen Hanns Natanson unter dem Namen Hanns Kirchner in den Schulakten führte und später dessen Schulzeugnis mit dem richtigen Namen durch einen Tintenklecks unkenntlich machte. „Das Zeugnis“ ist der Titel des Buches, in dem Kirchner seine Erinnerungen aufschrieb.

Auch Marianne Degginger erzählt in ihrer Biografie „Schwieriges Überleben“ aus Kleinmachnower Kindertagen, in denen ihr das Stigma eines „jüdischen Mischlings“ anhaftete. Als Helfer im Amt gilt für sie eine Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung, die sich an die Absprache hielt, keine Papiere an die neue Schule in Dresden nachzusenden. In diese Stadt war das Mädchen mit Mutter und Bruder zu „arischen“ Verwandten ausgewichen.

Über sieben Schicksale gibt die aktuelle Ausstellung Auskunft, aber zeitgenössischen Quellen wie Tagebücher oder Briefe sind selten, da die Untergetauchten jegliche Hinweise auf ihre Identität vermeiden mussten. Und so bleiben Helfer auch ungenannt, wie im Falle von Johanna Loewenberg, die 1943 in Kleinmachnow ein Versteck fand.