PNN 9.1.13

"Der Flughafen bringt eine Menge Leid"

von Tobias Reichelt

Bürgermeister und Initiativen machen ihrem Ärger jetzt Luft

Potsdam-Mittelmark - Frust, Wut und Häme. Die erneut verschobene Eröffnung des Großflughafens in Schönefeld sorgt überall dort, wo schon längst die Flugzeuge kreisen sollten, für heftiges Kopfschütteln. Bürgermeister als auch Bürgerinitiativen aus Kleinmachnow, Teltow, Stahnsdorf und Werder machen ihrem Ärger über die Flughafenpleite Luft. Ihre Forderungen reichen vom Rücktritt der Regierungschefs in Berlin und Brandenburg bis hin zum Baustopp in Schönefeld. Aufatmen, dass die Flugzeuge nicht wie geplant ab Oktober, sondern frühestens im Jahr 2014 über ihren Dächern kreisen werden, können die wenigsten.

„Ich bin wie jeder andere Steuerzahler entsetzt“, sagt Peter Kreilinger von der Bürgerinitiative „Fluglärmfreie Havelseen“. Die Flughafengesellschaft sei ein Gegner, für dessen Fehler jeder im Land bezahlen müsse. „Ich fühle Ärger, immer wieder Ärger.“ Es sei an der Zeit, dass die Regierungschefs Matthias Platzeck und Klaus Wowereit (beide SPD) sowie Flughafenchef Rainer Schwarz Konsequenzen ziehen. „Dass man nun Dick gegen Doof, oder andersherum, austauscht, ist eine bodenlose Unverschämtheit“, kommentierte Kreilinger den Wechsel von Platzeck und Wowereit an der Spitze des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft. „Jeder, der in Sachen Lärm glaubte, das wird nicht so schlimm, der merkt jetzt, welche Stümper da am Werk sind“, so Kreilinger.

Christine Hauptmann vom Verein „Teltow gegen Fluglärm“ fordert gar eine Neuplanung des Flughafens an einem neuen Standort. „Wir finden es hirnrissig, weitere Millionen zu verpulvern.“ Nun sei es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen. „Es ist aberwitzig zu glauben, dass Ministerpräsident Platzeck es besser machen kann.“ Er habe keinen technischen Sachverstand, sagt Hauptmann.

Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) nimmt den Regierungschef hingegen in Schutz. Die Verschiebung sei zwar ein Desaster, trotzdem glaube er, dass Platzeck seine Chance nutzen werde, den Flughafen auf Kurs zu bringen. „Nur schimpfen bringt uns nicht weiter.“ Gleichzeitig hofft Schmidt, dass Platzeck die Lärmbetroffenen jetzt nicht mehr vergessen wird.

Zumindest auf den Schutz der Lärmbetroffenen setzt auch Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers (BfB). „Dieser Flughafen bringt eine Menge Leid über Brandenburg.“ Wolle man das letzte Bisschen Akzeptanz noch retten, wäre es jetzt angezeigt, das Volksbegehren für ein strengeres Nachtflugverbot ernst zu nehmen. Albers forderte den Landtag auf, den Lärmschutz auszuweiten und nicht auf den anstehenden Volksentscheid zu warten. Dass Platzeck den Aufsichtsrat führen will und kein erfahrener Bauexperte, ist für Albers nicht nachzuvollziehen.

Das fällt auch Wolfgang Brenneis, Sprecher der Stahnsdorfer Bürgerinitiative, schwer. „Mich schockiert, dass die politisch Verantwortlichen ihre Verantwortung nicht wahrnehmen.“ Für die Lärmbetroffenen sei die geplatzte Eröffnung gut, für den Ruf der Region hingegen nicht.

Matthias Schubert, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Fluglärm in Brandenburg, spricht gar von Dilettantismus. „Der Flughafen kostet so viele Millionen, da sollten zumindest die Bürger ruhig schlafen können.“ Über einen besseren Lärmschutz am Flughafen soll unter anderem am 23. Januar vor dem Oberverwaltungsgericht verhandelt werden.

Auf die Klage von Initiativen und Kommunen setzt auch Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD). „Wann der Flughafen eröffnet, spielt für uns keine Rolle.“ Langfristig sei es wichtiger, die Flugrouten zu ändern. Doch auch bei Grubert ist der Ärger groß. Zu viele Milliarden wurden verbrannt. Statt weitere nachzuschieben sollte die Flughafengesellschaft über einen Neustart nachdenken. „Ein Flughafen für innerdeutsche Flüge in Schönefeld und einer für Langstreckenflüge in Sperenberg könnte die Lösung sein.“ Tobias Reichelt

 

 

PNN 9.1.13

„Dafür sollten Köpfe rollen“

von Tobias Reichelt

In der vom Fluglärm überraschten Region Teltow hat sich viel Wut angestaut

Region Teltow - Die Reaktionen reichen von ungläubigem Kopfschütteln bis hin zu purer Erleichterung. Der Großflughafen in Schönefeld wird nicht wie geplant im Oktober eröffnet. Frühestens im Jahr 2014 sollen die Flugzeuge über Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf düsen. In der vom künftigen Fluglärm überraschten Region hat sich einiges an Ärger angestaut. Viele machten dem bei einer Straßenumfrage der PNN Luft.

So Marcel Below. Der einstige Berliner ist vor sechs Jahren nach Teltow gezogen. Ins Grüne. „Meine Frau hat sich genau erkundigt, wo die Flugzeuge fliegen sollen, damals war von Teltow noch keine Rede.“ Doch nach dem Umzug kam alles anders, die Jets sollten plötzlich auch entlang der Stadt fliegen. „Das war ziemlich frustrierend.“ Below glaubt deshalb schon lange nicht mehr an die Verlässlichkeit von Politik. Die erneute Verschiebung der Verschiebung der Verschiebung setze dem Ärger nun noch die Krone auf. „Das Schlimmste ist, dass dafür niemand zur Verantwortung gezogen wird.“

Der Geduldsfaden in Sachen Flughafen ist auch bei Josephine Meier aus Teltow am Ende. „Ich kann das nicht mehr hören“, sagt sie und winkt ab. Die Probleme in Schönefeld gehörten so schnell wie möglich gelöst. „Die Politiker sollen nicht immer nur Termine sagen, die sollen sich endlich einen Plan machen!“

Kopfschüttelnd unterbricht auch Patricia Röhr ihren Weg zum S-Bahnhof in Teltow. Sie sei enttäuscht, dass der Flughafen zur Pleite geworden ist. Zu lange schon müsse man auf die Eröffnung warten. „Der Lärm stört mich nicht“, sagt sie. Geldverschwendung und Missmanagement hingegen schon. „Dafür sollten Köpfe rollen.“

Bei dem Stahnsdorfer Denny Wischnewski ist die Freude über mehr Ruhe im Garten längst der Wut gewichen. „Dort wird so viel Geld verbrannt, so viel kann man gar nicht arbeiten gehen.“ Es sei erschreckend, was sich die Politik leiste. „Der Flughafen muss laufen, damit er Geld einbringt“, sagt Wischnewski. Nur nachts sollten die Jets nicht fliegen, wünscht er sich.

Auf mehr Ruhe freut sich jetzt auch Willy Schediwy. „Ich bin erleichtert, dass es länger dauert“, sagt der Kleinmachnower. Warum der Flughafen überhaupt in Schönefeld gebaut wurde, war ihm schon immer ein Rätsel. Dass er nun nicht fertig werde, sei ein Zeichen, dass er dort nie hätte gebaut werden sollen.

Schediwy ist in Kleinmachnow nicht der Einzige, der aufatmete. Auch Monika Dahlke ist froh, dass die Jets noch nicht fliegen. „Wir haben Angst vor dem Lärm.“ Die dauernden Probleme am Großflughafen sieht sie mit Skepsis. „Es sind Steuergelder, die da draufgehen.“

Thomas Billhardt regt die Politik deshalb zum Umdenken an. Sperenberg sei ein besserer Flughafenstandort als Schönefeld, sagt der Kleinmachnower. „Wir haben die schnellsten Eisenbahnen der Welt gebaut, aber einen Flughafen am Stadtrand.“

Auch Gundula Daun, Inhaberin der Naturboutique am Rathausmarkt, ist sauer. „Die Politiker können machen was sie wollen, das kann ich in meiner Selbstständigkeit nicht.“ Womöglich komme der Flughafen aber ja nun bald gar nicht mehr.

Auf eine ertragbare Lösung setzt auch Augustine Müller aus Kleinmachnow: „Ich freue mich, dass es nicht so schnell geht“, sagt sie. Denn dann bleibe es länger ruhig – und ehe der Flughafen tatsächlich eröffnet werde, „bin ich vielleicht schon so alt und schwerhörig, dass ich den Lärm nicht mehr höre.“ Tobias Reichelt