PNN 31.12.12
Rückblick 2012 in Potsdam-Mittelmark: ein Jahr mit unverhofften Wendungen, erfolgreichen Nachtfluggegnern und wichtigen Beschlüssen
Wahlbetrug in Teltow?
5. Januar - Der Teltower SPD-Landtagsabgeordnete Sören Kosanke gerät ins Visier der Staatsanwaltschaft. Sie prüft, ob Kosanke aufgrund falscher Angaben zu seinem Wohnsitz widerrechtlich an der Kommunalwahl 2008 in Teltow teilgenommen hat. Als unstrittig gilt, dass er drei Tage vor der Kommunalwahl am 28. September 2008 seinen Hauptwohnsitz in Teltow anmeldete, ins Wahlregister eingetragen wurde und per Briefwahl wählte. Am Tag der Kommunalwahl war im Rathaus jedoch ein Hinweis eingegangen, wonach Kosanke die Wohnung noch nicht bezogen hatte – was für die Eintragung ins Wählerregister zwingend ist. Kosanke widerspricht: Er habe schon vor der Kommunalwahl die Wohnungsschlüssel zu seiner neuen Wohnung und seinen Lebensmittelpunkt in Teltow gehabt. Im Dezember fordert er die Staatsanwaltschaft auf, ihre Ermittlungen abzuschließen.
Kein kurzer Prozess
9. Januar - Im Landgericht beginnt der Betrugsprozess gegen Axel Hilpert. Er wird deutlich länger dauern als erwartet – erst am 13. Juni wird das Urteil verkündet. Die 4. Große Strafkammer des Landgerichts ist nach 24 Prozesstagen davon überzeugt, dass der Touristikunternehmer und frühere Stasi-Mann beim Bau seines Resorts Schwielowsee in Petzow die Landesinvestitionsbank um 9,2 Millionen betrogen hat. Fünf Jahre und acht Monate Gefängnis lautet das Urteil, Hilperts Anwälte legen Revision ein. Gegen eine Kaution von 500 000 Euro wird Hilpert aus der Untersuchungshaft entlassen.
Viel Wind um Windparks
23. Februar - Es ist ein Beschluss mit heftigen Folgen: Der Vorstand der Regionalversammlung Havelland-Fläming eröffnet das Beteiligungsverfahren für den Teilregionalplan Wind, die Regionalversammlung bestätigt den Beschluss bald darauf. Es ist die erste Weichenstellung für 25 neue Mega-Windfarmen in den Kreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming im Zuge der Energiewende. Besonders aus Bliesendorf und Fichtenwalde hagelt es Proteste, als die Pläne bekannt werden. Bürger befürchten gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine Verunstaltung des Landschaftsbildes.
Streit um Arthur Scheunert
2. März -Der Ernährungsforscher Arthur Scheunert (1879-1957) wird zum Streitthema in Nuthetal. Nach Recherchen des Historikers Roland Thimme soll er während der NS-Zeit Menschenversuche an Häftlingen des Zuchthauses Waldheim vorgenommen haben. Dort saßen damals auch politische Gefangene ein. Unter anderem soll er Häftlinge 188 Tage lang ohne Vitamin A ernährt haben, was bei den Probanden zu Problemen bis hin zum Tod geführt haben soll. Scheunert war bis 1957 Direktor des Rehbrücker Instituts für Ernährungsforschung. Der heutige Leiter Hans-Georg Joost kündigte eine interne Aufklärung an. Mitte November sein Ergebnis: Scheunert habe zwar Grenzen überschritten, es gebe aber keine belastbaren Hinweise für Todesfälle oder bleibende Schäden bei Versuchspersonen, so Joost.
Popstars bauen Blütenviertel
7. März - Die Architekten gelten als Popstars der Architektur: Das renommierte Büro Graft soll das Caputher Blütenviertel bauen. Investor Lothar Hardt gibt den Coup auf einer Bürgerversammlung bekannt. Graft baut weltweit Shoppingmalls, Luxushotels, Privatvillen, unterhält mit 100 Mitarbeitern Büros in Berlin, Los Angeles und Peking und ist für seine Zusammenarbeit mit Schauspieler Brad Pitt bekannt. Für die Caputher Gewächshausbrache schlagen die Graft-Leute einen Wohnanger mit Mietwohnungen, Reihenhäusern, Einfamilienhäusern und Villen aus Ziegeln und Holz vor. Auf dieser Grundlage beginnt die Planung.
Baustopp für Bushido
23. März - Das Haus im ruhigen Kleinmachnow hatte der frühere Skandalrapper Bushido schon 2011 gekauft. Mitte März wird das mittelmärkische Denkmalschutzamt alarmiert, weil der Bauherr am ehemaligen Seemannsheim in Kleinmachnow das Tor an der Einfahrt einreißen lässt. Die Baugenehmigung für das um 1910 erbaute, denkmalgeschützte Anwesen war unter strengen Auflagen erteilt worden. Als Bushido noch Bäume fällen und im Inneren des Hauses Dielen heraus- und Wände einreißen lässt, wird ein Baustopp verhängt. Das Tor muss wieder her, Mitte Juli darf der Rapper weiterbauen. Ein Bußgeldverfahren steht aus.
Überfall nur vorgetäuscht?
26. März - Der Überfall auf einen mittelmärkischen Zahnarzt gibt von Anfang an Rätsel auf. Am späten Nachmittag dringen zwei Männer in seine Praxis ein, erbeuten Bargeld – und schneiden dem Mediziner offenbar mit einem zangenähnlichen Gegenstand den linken Zeigefinger ab. So berichtet es das mutmaßliche Opfer, Zeugen des Überfalls gibt es nicht. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft allerdings gegen den Zahnarzt selbst. Sie wirft dem Mediziner vor, den Überfall nur vorgetäuscht und sich den Finger selbst abgetrennt zu haben. Er muss sich jetzt wegen des Verdachts des versuchten Versicherungsbetruges vor dem Amtsgericht Potsdam verantworten.
Genossen retten Kammerspiele
28. April - Rettung in letzter Sekunde: Eine private Initiative will die Kleinmachnower Kammerspiele betreiben und dazu eine Kulturgenossenschaft gründen. Von der Gemeinde fordern die Initiatoren einen Zuschuss von 40 000 Euro. Neben dem Kinobetrieb planen die Kulturmanagerin Carolin Huder und der Filmsammler Michael Martens ein Theater- und Konzertprogramm, auch das angeschlossene Café wollen sie wieder eröffnen. Mit der Auflage, bis Ende 2013 eine Stammeinlage von 50 000 Euro zu generieren, stimmen die Kommunalpolitiker im Juni der Anschubförderung zu, am 26. November übernehmen die Kulturgenossen den Betrieb vom Eigentümer Karl-Heinz Bornemann. Seitdem machen sich im Programm erste Neuerung bemerkbar.
Volksbegehren für Nachtflugverbot
4. Juni - Mit Warteschlangen vor den Rathäusern beginnt – zumindest im Berliner Umland – das Brandenburger Volksbegehren für ein Nachtflugverbot. Ziel: Der Landtag soll das Thema noch mal auf die Tagesordnung setzen, die Fluglärmgegner wollen Ruhe zwischen 22 und 6 Uhr. Dafür müssen bis zum 3. Dezember 80 000 Unterschriften zusammenkommen. Das Volksbegehren läuft schleppend an. Als anderthalb Monate vor Ablauf der Frist noch etwa 1000 Unterschriften pro Kommune fehlen, mobilisieren die Bürgerinitiativen alle Kräfte. Briefwahlunterlagen können per Handy angefordert werden, in einigen Gemeinden werden sie an Haushalte verteilt und wieder abgeholt. Die Mühe ist nicht vergeblich: Mit 106 332 Unterschriften liegen die Initiativen am Ende weit über ihrem Ziel.
Erholungsort steht im Stau
17. Juni - Mit zwei Jahren Verspätung stößt Geltow zum „Erholungsort Schwielowsee“ hinzu und bekommt den staatlichen Titel, wie zuvor Ferch und Caputh, anerkannt. In der Zwischenzeit wurde durch Tempolimits und neue Ampelschaltungen die Abgasbelastung auf der Geltower B 1 minimiert. Nach den Sommerferien führt die neue Potsdamer Pförtnerampel dann zu massiven Rückstaus bis nach Geltow – das Abgasproblem ist wieder da. Aus dem Potsdamer Rathaus wird nach einer Krisensitzung versprochen, die Staus langfristig zu mindern, indem mehr Busse nach Potsdam fahren. Auch die umstrittene Potsdamer Ampelschaltung soll nachjustiert werden.
Teltow beschließt Stadthafen
20. Juni - Für Teltow ist der Beschluss fast schon ein Meilenstein für die Stadtgestaltung. Am Ufergrundstück östlich der Jahnstraße soll eine Marina entstehen. Entlang des Teltowkanals soll neben dem Hafen auch Gastronomie auf der einen und maritimes Gewerbe auf der anderen Seite angesiedelt werden. Über die Hafeneinfahrt soll eine Brücke den Rad- und Wanderweg entlang des Kanals verbinden. Weil das Grundstück sich nicht im Eigentum der Stadt befindet, sind Kompromisse mit der Klösters Bau GmbH nötig. Die betreibt dort ein Betonwerk.
Kurtaxe in Schwielowsee
20. Juni - Die Gemeindevertretung Schwielowsee beschließt einstimmig eine Kurtaxe. Ab 2013 müssen Übernachtungsgäste von April bis Oktober einen Kurbeitrag von einem Euro pro Kalendertag bezahlen. Der Beitrag soll eine Gegenleistung zur Nutzung der örtlichen Infrastruktur darstellen. Mit der Kurkarte gelten für einige öffentlicher Einrichtungen und Veranstaltungen Sonderpreise. Das Rathaus rechnet mit jährlichen Gesamteinnahmen von etwa 70 000 Euro. Das Geld soll komplett in die Förderung des Fremdenverkehrs fließen.
Missbrauch über 15 Jahre lang
12. Juli - Die Anzeige eines Vaters bringt alles ins Rollen: Der 56-jährige Frank E.,bis dahin Betreiber eines Kutschfahrthofes in Reckahn, soll auf seinem Hof Jungen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren missbraucht haben – über 15 Jahre lang. Die Staatsanwaltschaft geht von fünf Fällen aus, E. kommt in Untersuchungshaft. Als der Prozess am 8. November beginnt, legt er ein Geständnis ab – das in den Details allerdings dürftig bleibt. Einige der Opfer müssen als Zeugen aussagen. Strafmildernd will das Landgericht das Geständnis deshalb nicht bewerten. Am 29. November verurteilt es E. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, E.s Anwalt legt Rechtsmittel ein.
Seeberg-Grundschule in Gefahr
23. August - Für die Gemeinde Kleinmachnow ist es ein herber Rückschlag: Mitte August wird bekannt, dass die Internationale Schule BBIS den Mietvertrag mit der kommunalen Seeberg-Grundschule nicht verlängern will. Man sei mit den Kapazitäten am Ende und benötige die Räume selbst, heißt es von der BBIS. Ab 2015 braucht die zweizügige Grundschule demnach ein neues Dach über dem Kopf. Befürchtungen von Eltern und Lehrern, die Gemeinde könnte den Betrieb dann einstellen, werden schnell zerschlagen, mittlerweile läuft die Suche nach einem neuen Schulstandort auf Hochtouren. Der vom Rathaus bevorzugte Platz liegt am Fuße des Seebergs direkt hinter dem Rathaus. An der Seeberg-Grundschule lernen rund 240 Kinder.
Gründliche Straßenplanung
23. August - Videofahrten auf der Strecke, animierte Fahrten auf der Neubaustrecke, Planzeichnungen, Simulationen, Statistiken und Baumkronen in 3D: Eine so gründlich vorbereitete Straßensanierung erlebt man selten. Der Kreisstraßenbetrieb stellt auf einer Bürgerversammlung seine Pläne für die Uferstraße zwischen Caputh und Ferch vor. Der Straßenausbau soll 2013 beginnen, es ist wegen des nahen Schwielowseeufers und der Straßeneichen wohl eines der sensibelsten Ausbauprojekte der Region, im Vorfeld gab es Streit. Jetzt sollen nur noch 65 statt 130 Bäume fallen, die Straße nur teilweise aufgeweitet werden. Auf der Versammlung werden die Pläne überwiegend befürwortet.
Dessert mit Folgen
27. September -Die ersten Meldungen klingen noch nach der typischen Sommergrippe: Am 27. September muss sich ein großer Teil der Kinder an der Stahnsdorfer Lindenhof-Grundschule nach dem Mittagessen übergeben – sie werden nach Hause geschickt, die Schule für diesen Tag geschlossen. Schnell wird klar, dass nicht nur Stahnsdorf betroffen ist, sondern viele andere Schulen in der Region, in Brandenburg, in Berlin und auch Thüringen und Sachsen. Bundesweit erkranken mehr als 11 000 Kinder an Brechdurchfall, alleine in Potsdam-Mittelmark sind es am Ende 1007 Fälle. Schuld sind Tiefkühlerdbeeren aus China, die mit dem Norovirus verunreinigt waren. Der Schulcaterer Sodexo hatte sie als Nachtisch ausgeliefert. Das Unternehmen betreibt zwei Großküchen im Landkreis.
Handel und Gewerbe gestärkt
17. Oktober - In Schwielowsee wird nach vierjährigem Verfahren der Flächennutzungsplan beschlossen. Bauflächen für 1000 Neubürger will die 10 000-Einwohner-Gemeinde ausweisen. Handel und Gastgewerbe sollen gestärkt, bestehenden Gewerbestandorten eine „angemessene Entwicklung“ gesichert werden. Gegen den Willen der SPD-Fraktion soll in Caputh die Achse zwischen Schule und Fähre Mischgebiet bleiben und nicht zum reinen Wohngebiet werden. Zugunsten des Gewerbes wird auch in Geltow entschieden: Die Firma Richter, durch deren Recyclinghof am Ortsrand sich viele Bewohner gestört fühlen, steht für die Gemeindevertretung auch im Flächennutzungsplan nicht zur Disposition.
Zweitwohnungssteuer in Werder
18. Oktober - Werder führt eine Zweitwohnungssteuer ein. Je nachdem, ob die Wohneinheit außerhalb, im Ort, in Wassernähe oder direkt am Wasser liegt, werden 4,50 bis 8 Euro pro Quadratmeter und Jahr fällig. Wer zum Beispiel eine 60 Quadratmeter große Ferienwohnung am Wasser besitzt, muss im Jahr 2012 erstmals 480 Euro dafür berappen. Ein erster Satzungsentwurf war im April an der Intervention von Bürgermeister Werner Große (CDU) gescheitert. Große hatte wegen des Gleichheitsgebots beanstandet, dass Wochenendhäuser nicht besteuert werden sollten. In der neuen Satzung wird diese Ausnahme nicht mehr gemacht.
Wachtelberg keltert selbst
31. Oktober - Der Wachtelberg hat eine eigene Kelterei. Werders Weinbauer Manfred Lindicke hat ein Jahr lang an dem Projekt gearbeitet, jetzt muss er seine Trauben vom gut sechs Hektar großen Werderaner Weinberg nicht mehr zur Verarbeitung in das sachsen-anhaltinische Landesweingut Kloster Pforta schaffen. Im November werden die ersten Flaschen Müller-Thurgau unter Aufsicht des neu eingestellten Kellermeisters abgefüllt. Die Kapazität des neuen Weinkellers liegt bei 80 000 Liter – 2012 wird sie vor allem wegen der Ernteausfälle allerdings bei weitem nicht ausgeschöpft.
Linden fallen trotz Protest
2. November - Der Landesbetrieb Straßenwesen folgt einer Einladung der Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm (Grüne) zur einem Ortstermin, es geht um die Fällungen Dutzender Linden in der Einsenbahnstraße in Werder. Sie sollen der Straßensanierung geopfert werden. Die Architektin Cornelia Thömmes hatte sich monatelang auf allen Ebenen dagegen gewehrt, aus der Einzel- entsteht im Herbst eine Bürgerinitiative. Beim Ortstermin äußern rund 30 Werderaner ihren Unmut. Der Landesbetrieb hält entgegen, dass die alten Bäume durch die erforderlichen Erdarbeiten keine Überlebenschancen hätten. Einige Wochen später beginnen die Fällungen.
Freibad Kiebitzberge wird saniert
10. November - 20 Jahre lang war es ein heiß umstrittenes Thema – jetzt ist das Schwimmbad-Trio perfekt. Die drei Nachbarkommunen Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf wollen eine gemeinsame Besitz- und Betriebsgesellschaft gründen und so den Erhalt des Freibads Kiebitzberge langfristig sichern. Bisher ist das Freibad allein von der Gemeinde Kleinmachnow unter Regie der kommunalen Wohnungsgesellschaft Gewog betrieben worden. Mit der gemeinsamen Gesellschaft sind die Weichen gestellt, um im Jahr 2013 mit der dringend notwendigen Sanierung des Bads zu beginnen.
Start der Blütentherme verschoben
13. Dezember - Welkende Aussichten: Die Blütentherme in Werder wird frühestens im September 2013 fertig. Auf der Dezembersitzung der Stadtverordneten wird die zweite Verschiebung des Starttermins offiziell bestätigt. Auf der Baustelle geht es längst nicht so schnell voran wie erhofft. Mit der späten Baugenehmigung, der komplizierten Gründung und Planänderungen werden die Verzögerungen begründet. Anfangs war die Eröffnung am 12.12.2012 geplant. Jetzt wird selbst der Oktober 2013 mit einem Fragezeichen versehen, denn der Rohbau ist längst nicht fertig. Ob der Termin klappt, sei witterungsabhängig , wie es von der Kristall Bäder AG heißt.