PNN 20.12.12
Demografiebericht: 30 Prozent weniger Kinder, 70 Prozent mehr Alte bis 2030 in Potsdam-Mittelmark
Potsdam-Mittelmark – Es sind Verluste, wie man sie bislang nur nach Pestwellen oder Kriegen kannte: Um bis zu 30 Prozent wird die Bevölkerungszahl im Süden und Westen des Landkreises in den nächsten Jahren zurückgehen. Während allein die Region Teltow und die Gemeinde Schwielowsee bis 2030 noch auf Bevölkerungszuwachs hoffen können, wird es vor allem auf dem Lande einsam. Nur noch 15 Einwohner gibt es dann pro Quadratkilometer in Wiesenburg, 17 sind es in Ziesar. Die beiden Ämter werden damit dünner besiedelt sein als derzeit Afghanistan, der Kongo oder Brasilien.
Das Landratsamt hat gestern den aktuellen Demografiebericht für Potsdam-Mittelmark vorgelegt. Insgesamt wird die Bevölkerungszahl nur um gut fünf Prozent sinken – die Prognosen sind gegenüber dem ersten Bericht von 2010 leicht nach unten korrigiert worden. Gleich geblieben ist die Erkenntnis, dass künftig noch mehr Mittelmärker als bislang im Potsdamer Umland leben werden. Für die meisten von ihnen wird es der Altersruhesitz sein. „Wir werden nicht weniger, aber wir werden älter“, resümierte Landrat Wolfgang Blasig (SPD) die Studie, die er auch als Handreichung für die Städte und Gemeinden sieht. „Sie sollen ermutigt werden, ihre Konzepte auf diese Entwicklung auszurichten“, so Blasig.
Vor allem die Altersstruktur wird sich in den nächsten Jahren deutlich ändern. Durch sinkende Geburtenraten und die Abwanderung junger Familien wird die Zahl der Kinder unter 15 Jahren um insgesamt fast ein Drittel sinken. Das Phänomen wird auch vor dem Speckgürtel nicht Halt machen: Mit 45 Prozent weniger Kindern in 2030 erreicht Kleinmachnow zum Beispiel ähnliche Werte wie Treuenbrietzen oder Kloster Lehnin. In diesem Bereich ist Teltow der einzige Ort mit Zuwachsprognose – dort wird eine Erhöhung der Kinderzahl um elf Prozent erwartet.
Generell rückläufig ist auch die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung, die wiederum umso tiefer sinkt, je weiter man sich von Potsdam und Berlin entfernt: Minus acht Prozent in Kleinmachnow, minus 23 Prozent in Werder (Havel), minus 36 Prozent in Beelitz – und minus 50 Prozent in Wiesenburg. Auch hier bleibt Teltow die einzige Ausnahme: Dort soll es bis 2030 knapp ein Viertel mehr 15- bis 64-Jährige geben als heute.
Durchweg Wachstum werden die Städte und Gemeinden bei den über 65-Jährigen zu verzeichnen haben. Deren Zahl wird in der Region Teltow um fast hundert Prozent steigen, im ländlichen Raum sind es – vor allem wegen der Abwanderung – deutlich weniger. Dadurch wird sich auch der sogenannte Altenquotient enorm erhöhen: Kommen heute auf hundert erwerbsfähige Mittelmärker knapp 33 Rentner, werden es in 17 Jahren mehr als 76 sein.
Sozialdezernent Thomas Schulz (SPD) kündigte vor diesem Hintergrund an, dass in den kommenden zwei Jahren Konzepte entwickelt werden sollen, wie der Kreis sich weiter auf die Überalterung einstellen kann. Den Forderungen nach einem jährlichen Budget für Seniorenprojekte, wie sie vom Kreisseniorenbeirat und den Grünen laut wurden, erteilte Schulz eine Absage. Nur mit Geld „schnell mal“ etwas zu machen, funktioniere nicht. Er forderte hingegen die Kommunen auf, sich bei ihren Investitionen schon jetzt den Spiegel vorzuhalten – und sich zu fragen, wie zum Beispiel neue Kitas künftig genutzt werden können.
Inwieweit das Thema Zuwanderung bei künftigen Konzepten des Landkreises eine Rolle spielen wird, blieb offen. Bundespräsident Joachim Gauck hatte bei einem Besuch im Asylbewerberheim in Bad Belzig vergangene Woche erklärt, dass Deutschland im Hinblick auf den Fachkräftemangel Zuwanderer brauche. Landrat Blasig verwies gestern auf die Landesgeschichte: „Immer wenn Landstriche wüst zu fallen drohten, wurden Siedler geholt – und das schon vor 850 Jahren.“ Albrecht der Bär hatte damals Flamen in den Fläming gelockt, ähnlich machte es der Große Kurfürst rund 500 Jahre später mit den Hugenotten.