Kreiselternrat zieht erste, kritische Bilanz aus landeweitem Pilotprojekt "Inkusive Schule"
Kleinmachnow - Die Idee ist gut, doch die Schulen nicht bereit: Seit Beginn des Schuljahres proben Pilotschulen im Land Brandenburg die Inklusion. Beim gemeinsamen Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf hakt es an einigen Stellen. Der Kreiselternrat hat sich am Mittwoch in der Internationalen Schule (BBIS) auf dem Seeberg in Kleinmachnow getroffen, um Hinweise an das Bildungsministerium zu formulieren und eine erste Bilanz zu ziehen.
Und die sieht unerfreulich aus: Beim Thema Inklusion sind viele Lehrer offenbar noch unsicher. Ein Grund dafür sei, dass es zu wenig praxisorientierte Weiterbildungsangebote für die Lehrer gebe, hieß es vonseiten der Elternvertreter. Daneben fehlten Mentoren und Mediatoren, schließlich bräuchten auch die Lehrer Feedback bei ihrer neuen Aufgabe. Mit deren Hilfe könnte womöglich auch die Frage geklärt werden, ob die Lehrer weiterhin die Bewertungskriterien anpassen dürfen. „Soll etwa ein Kind mit Legasthenie oder Lernschwierigkeiten anders bewertet werden als andere Kinder oder gelten bei Vergleichsarbeiten für alle dieselben Regeln?“, fragte eine Mutter.
An den landesweit 84 Grundschulen, die am Pilotprojekt „Inklusive Schule“ teilnehmen, werden bis 2016 erst einmal nur Schüler mit einem speziellen Förderbedarf in den Bereichen Lernen, sozial-emotionale Entwicklung und Sprache vorbehaltlos aufgenommen. Um das umzusetzen, hat das Land 119 neue Lehrer zusätzlich eingestellt. Die reichen nicht aus, denn eine Auflage für die Teilnahme am Projekt ist es, die Klassenstärken von meist 28 auf maximal 23 Schüler zu reduzieren. An Förderschulen sind es 12.
Insgesamt sei die Personalausstattung damit zu dünn, so die Elternvertreter. „Ich habe den Eindruck, dass die eigentlich gute Idee der Inklusion hier als Personalkosten-Sparprogramm der Landesregierung herhalten soll“, sagte der SPD-Politiker Jens Klocksin, ebenfalls Mitglied im Elternrat. Die Regelschulen müssten mehr Kinder aufnehmen, ohne signifikant mehr Lehrer zu bekommen. Schon vor Beginn des Projekts hatte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) die vom Land eingeplanten drei Millionen Euro als Lachnummer bezeichnet.
Und offenbar fehlen nicht nur zusätzliche Lehrer: „An der Lindenhofschule in Stahnsdorf gibt es zu wenig geschultes Personal für die Einzelfallhilfe“, so der Vertreter der Lindenhofschule Heiko Spleet. Für die Bewilligung ist das Jugendamt und nicht das Schulamt zuständig. „Dort ist man aber offenbar knauserig.“
Deutlich wurde am Mittwochabend aber auch, dass eine Vorlaufphase den Einstieg ins gemeinsame Lernen erleichtert: An der Seeberggrundschule in Kleinmachnow sei schon im vergangenen Schuljahr kein Kind mit speziellem Förderbedarf abgewiesen worden, sagte eine Mutter. Jetzt profitiere die Schule von der zusätzlichen Lehrerin und den erweiterten Stundenzahlen. Allerdings ging der Plan hier auch deshalb auf, weil im laufenden Schuljahr keine weiteren Kinder mit Förderbedarf angemeldet wurden. Anders sieht es dort bei der Hortbetreuung aus, hier klaffe eine Lücke im vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel, so die Mutter.
Ein grundsätzliches Problem sei, so bemängeln Elternvertreter, dass viele Lehrer eine konkrete Definition des Ministeriums vermissen. „Soll die Schule als Ganzes unter dem Inklusionsaspekt betrachtet werden oder nur die Schüler mit Beeinträchtigung?“, fragte etwa eine Mutter. Trotz allem war sich das Gremium weitgehend einig: „Inklusion ist der richtige Ansatz“, so der Vorsitzende des Kreiselternrats, Eberhard Adenstedt (Bündnisgrüne). Ariane Lemme