PNN 15.9.12
Für ihre Kulturgenossenschaft werben die neuen Kammerspielbetreiber erste Unterstützer
Kleinmachnow - Am Ende des Abends räumte Carolin Huder mit allen historischen Vorbehalten gegen den Begriff Genosse auf: „Das Wort kommt aus dem Althochdeutschen, dort bedeutet es, etwas mit anderen zusammen genießen.“ Damit passe es hervorragend zu der von ihr und Michael Martens gewählten Gesellschaftsform für die Kleinmachnower Kammerspiele. Mehr noch als bisher soll hier in Zukunft Kultur genossen werden. Zum Kino soll dort künftig auch ein Kneipenbetrieb kommen, Lesungen, Konzerte und Jugendarbeit ins Programm aufgenommen werden.
Getragen werden soll der Betrieb von einer Kulturgenossenschaft, die bereits am 10. August gegründet wurde. Von den zehn Gründungsmitgliedern bilden Huder und Martens den Vorstand, der Rest den Aufsichtsrat. Noch aber fehlen die Genossen. Mit einer Veranstaltung im Kleinmachnower Rathaussaal am Donnerstagabend sollten die ersten angeworben werden. Denn bis Jahresende muss die Kulturgenossenschaft „Neue Kammerspiele“ eine Stammeinlage von 25 000 Euro vorweisen können. Im kommenden Jahr soll sich diese Summe noch einmal verdoppeln – das ist die Auflage, die die Kleinmachnower Gemeindevertreter an eine Anschubfinanzierung in Höhe von 400 000 Euro geknüpft hatten.
Um die Genossenschaftseinlage zusammenzubekommen, müssen einzelne Genossen Anteile zeichnen – Huder und Martens vergeben sie zu 250 Euro das Stück, jeder Genosse kann maximal 20 Anteile zeichnen. Im Gegenzug erhält er eine Stimme in der Genossenschaftsversammlung. „Anders als andere Gesellschaftsformen ist die Genossenschaft allein den Interessen ihrer Mitglieder verantwortlich, die haften maximal mit ihrer Kapitaleinlage“, sagte Rainer Wunschik vom Genossenschaftsverband. Damit sei die Rechtsform nicht nur deutlich demokratischer als andere, sondern auch mit Abstand am wenigsten insolvenzanfällig. Oberste Prinzipien seien Selbstverwaltung und Selbstverantwortung, die Genossen sollen selbst Ideen einbringen und so ihre Kammerspiele mitgestalten können. „Wichtige Entscheidungen werden wir deshalb auf der Generalversammlung treffen, im Tagesgeschäft liegt die Verantwortung allerdings beim Vorstand“, sagte Huder.
Vor allem das Mitsprache-Prinzip schien bei den knapp 200 Zuhörern am Donnerstagabend anzukommen. „Etwa zwanzig Anteile sind sofort gezeichnet, die übrigen 130 Beitrittserklärungen alle mit nach Hause genommen worden“, sagte Martens den PNN am Freitag. Dass die erforderlichen 25 000 Euro bis Jahresende zusammenkommen, darüber sorgten weder er noch Huder sich.
Ab Oktober soll der Betrieb der Neuen Kammerspiele aufgenommen werden, die Sanierungen am Haus nach und nach erfolgen. Wichtigste bauliche Veränderung wird neben einer Brandschutztür im Obergeschoss der Durchbruch zwischen Foyer und der angrenzenden ehemaligen Kneipe. Die soll als eigener Betrieb durchgängig geöffnet sein, das Angebot vom Frühstück bis zum Bier nach dem Kinobesuch reichen, die Bar sich zum Foyer hin öffnen. Als Zweckbetrieb werde die Kneipe die anderen Bereiche des Kulturhauses quasi mitfinanzieren – „Kunst ist ja immer ein Zuschuss-Geschäft“, so Huder.
Daneben sollen auch die Besucherzahlen des Kinos gesteigert werden, das Programm dazu frischer und aktueller werden. Das aber geht nur, wenn von der analogen auf digitale Technik umgestellt werde und das Kino damit nicht mehr von der Vergabereihenfolge der analogen Filmrollen abhängig ist. Finanziell sei das einer der größten Posten für die nahe Zukunft, ein Förderantrag bereits bei Filmförderungsanstalt eingereicht. Dort liege er derzeit in der Warteschleife, denn handlungsfähig ist die Genossenschaft erst, wenn der Genossenschaftsverband die Satzung geprüft hat und der Pachtvertrag mit dem bisherigen Kinobetreiber Karl-Heinz Bornemann unterzeichnet ist. Wie hoch die Pacht sein wird, sei kein Geheimnis, die Zahl nennen will Martens aber erst nach Vertragsabschluss.
Den aktuellen Stand der Entwicklung bilden Huder und Martens regelmäßig auf der Facebookseite der Neuen Kammerspiele ab – die ist offen und auch für Nicht-Mitglieder des sozialen Netzwerks einsehbar. Auch sonst setzen die Kulturgenossen auf Verjüngung, Huder, die mit dem Neuköllner Heimathafen bereits ein Theater- und Konzerthaus betreibt, will vor allem ein breiteres Angebot für Jugendliche schaffen, von Musik- und Theater-Workshops bis hin zu Popkonzerten. „Für die genaue Ausrichtung werden wir mit den Jugendlichen selbst sprechen, als Erwachsener liegt man schnell daneben, wenn es um deren Geschmack geht“, sagte Carolin Huder, schon ganz dem genossenschaftlichen Prinzip verpflichtet.