PNN 1.8.12
Die Gemeinde hätte laut Bundesverwaltungsgericht schon bei der Planfeststellung klagen müssen. Jetzt wird der Gang vor das Bundesverfassungsgericht geprüft.
Leipzig/Kleinmachnow - Weitreichend ist die Entscheidung. Eindeutig auch. Denn am Standort Schönefeld für den neuen Hauptstadtflughafen gibt es nun keine juristischen Zweifel mehr. Was die Richter um den Vorsitzenden Rüdiger Rubel an diesem Dienstagvormittag zu verkünden haben, nehmen die Kläger fast stoisch auf. Keine Reaktion ist zu vernehmen, als Rubel die Klagen der Gemeinde Kleinmachnow, ihrer kommunalen Wohnungsgesellschaft sowie 21 weiterer Flughafen-Anwohner auch aus Zeuthen und Mahlow allesamt abschmettert. Das Genehmigungsverfahren für den neuen Flughafen wird nicht wieder aufgerollt.
Nur bei der Urteilsverkündung entfährt einem der Kläger ein höhnisches Lachen, als der Richter darauf verweist, dass die Kläger durchaus fristgerecht, nämlich innerhalb eines Jahres nach Beschluss des Planfeststellungsverfahrens, hätten klagen können – auch wenn in der Grobplanung des Planfeststellungsbeschlusses noch von geraden Flugrouten, die Kleinmachnow nicht berührt hätten, die Rede war. Flugrouten würden nicht ein für alle Mal festgelegt, sondern könnten sich verändern. Und durch die Nähe der Gemeinden zum Flughafen habe es im Bereich des Möglichen gelegen, dass man betroffen sein könnte, so der Richter. Schließlich habe es sich ja nur um eine Grobplanung gehandelt, und die Festlegung der tatsächlichen Flugrouten, auch das sei klar gewesen, würde erst später erfolgen. „Abknickende Flugrouten waren nicht nur eine theoretische Möglichkeit und allein aus der Nähe zum Flughafen ergab sich schon eine Betroffenheit“, sagte der Richter in seiner Urteilsverkündung.
Sonst aber ließen die Kläger die ruhig vorgetragene Urteilsverkündung über sich ergehen. Dabei hoben die Bundesverwaltungsrichter zwar auch mahnend den Finger in Richtung Genehmigungsbehörde, wonach das Planfeststellungsverfahren in puncto Öffentlichkeitsinformation mangelhaft gewesen sei. So hätten die Planungsunterlagen auch in den Gemeinden ausgelegt gehört, die nicht unmittelbar von den geplanten Flugrouten betroffen waren, hieß es. Auch wäre es gut gewesen, den vorläufigen Charakter der Grobplanung besser kenntlich zu machen, aber mehr Entgegenkommen zeigte der Richter den Klägern nicht.
Für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses reichten diese Mängel nicht. Auch von einer arglistigen Täuschung will der vierte Senat des Leipziger Gerichts nichts wissen. Die Kläger hatten sich von den Behörden getäuscht gefühlt, weil im Planfeststellungsverfahren andere Flugrouten vorgesehen waren, als schließlich bei der Genehmigung festgelegt wurden.
Das Urteil sei eine Enttäuschung, obwohl es sich bereits nach der mündlichen Verhandlung Anfang Juli abgezeichnet habe, sagte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) nach der Verkündung in Leipzig. „Unserer Meinung nach ist im Planfeststellungsverfahren für den Großflughafen getrickst worden. Wir hatten gehofft, dass das auch vom Bundesverwaltungsgericht anerkannt wird und die Klagefrist wieder eingesetzt wird“, so Grubert. Nun werde man prüfen, ob es sinnvoll ist, vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu gehen – dazu müsse zunächst aber die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung vorliegen und analysiert werden. Dabei sei die Gemeindevertretung einzubeziehen.
Zum einen müsse laut Grubert geprüft werden, ob die Gemeinde Kleinmachnow die Anwohner unterstützt, wenn sie vor dem Bundesverfassungsgericht die Verletzung ihres Grundrechts auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit geltend machen. Zum anderen müssten auch die Chancen einer gemeindlichen Klage in Karlsruhe wegen Versagung des effektiven Rechtsschutzes abgewogen werden, so Grubert. Unter dem Strich sei das aktuelle Urteil ein Rückschlag im Kampf der Gemeinde um Lärmschutz für ihre Einwohner.
Keine Auswirkungen habe das Urteil indes auf die Klagen der Kommunen Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf gegen die geplante sogenannte Wannseeroute für den Abflug von Schönefeld. „Auch das Bundesverwaltungsgericht hat deutlich gemacht, dass das zwei unabhängige Sachen sind“, so Grubert.
Auch Michael Lippoldt, Sprecher der Bürgerinitiative Kleinmachnow gegen Flugrouten, erklärte, dass zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden müsse. Das könnte einige Monate dauern. Grundsätzlich seien seiner Meinung jedoch die Signale für einen Gang nach Karlsruhe gestellt. „Um das Faktum einer Planfeststellung auf der Basis falscher Flugrouten kommt niemand herum“, so Lippoldt.
Nach der Urteilsverkündung sieht er zumindest einen Teilerfolg. Vom Gericht sei eindeutig festgestellt worden, dass der Beklagte nicht offengelegt hat, dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) für einen unabhängigen Bahnbetrieb nicht parallele, sondern aus Sicherheitsgründen um mindestens 15 Grad divergierende Abflugrouten planen würde. Das könnte laut Lippoldt vor dem Bundesverfassungsgericht von Bedeutung werden.
Entscheidend seien auch zwei weitere Punkte. Erstens habe das Gericht in der mündlichen Verhandlung Anfang Juli 13 Beweisanträge der Kläger abgelehnt. Zweitens wehren sich die Flugroutengegner gegen den Standpunkt des Gerichts, wonach es gleichgültig sei, ob 10 000 Menschen hier oder woanders vom Fluglärm betroffen seien. „Es geht um die subjektive Würde jedes Einzelnen“, sagte Lippoldt.
Fest steht: Mit dem Urteil haben die BER-Verantwortlichen eine entscheidende juristische Hürde umschifft. Denn die Kläger können zwar Beschwerde gegen das Urteil beim Bundesverfassungsgericht einlegen, aber eine Eröffnung des Flughafens können sie damit nicht mehr verhindern. Der 17. März 2013 als Eröffnungstermin ist damit aber lange noch nicht gesichert. Im Gegenteil: Es bleibt eine Hängepartie.
Horst Amann, der am heutigen Mittwoch offiziell seinen Dienst als technischer Geschäftsführer der Betreibergesellschaft antritt, mag derzeit nicht garantieren, dass er bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung am 16. August den Daumen heben oder senken kann. In Kreisen des Flughafens wird sogar vermutet, dass Amann erst zur Sitzung am 14. September einschätzen können wird, ob der März-Termin zu halten ist. Bereits bei einem Rundgang mit Mitgliedern der CDU-Fraktion aus dem Potsdamer Landtag am 9. Juli hatte Amann den 17. März als „extrem ambitioniert“ bezeichnet.