PNN 5.7.12
Bundesrichter dämpft erneut Erwartungen von Anwohnern – Streckenänderung war laut Behördenanwalt absehbar
Kleinmachnow/Leipzig - Selbst schuld. Anwohner des künftigen Flughafens Berlin-Brandenburg hätten wissen müssen, dass auch sie überflogen werden können, selbst wenn dies den Unterlagen im Planfeststellungsverfahren nicht zu entnehmen war. Mit dieser Aussage überraschte am Mittwoch vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig der Anwalt der Planfeststellungsbehörde, Klaus-Peter Dolde, die Zuhörer. Erneut ging es darum, ob bei der Flughafenplanung die künftigen Routen bewusst verschwiegen worden waren.
Am Dienstag hatte bereits die Gemeinde Kleinmachnow zusammen mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft Gewog und einigen Anwohnern versucht, das BVG davon zu überzeugen, dass sie vorsätzlich getäuscht wurden (PNN berichteten). „Vor dieser Aussage wollten sich die Richter allerdings drücken“, sagte Mattias Schubert, Sprecher der Kleinmachnower Bürgerinitiative am Mittwoch im Rückblick. Als die Kläger jedoch einen Nebensatz, den das Gericht als wertend empfand, aus dem Beweisantrag strichen, mussten die Richter immerhin feststellen: „Der Senat geht davon aus, dass Flughafengesellschaft, Deutsche Flugsicherung und das brandenburgische Verkehrsministerium wussten, dass die geplanten geraden Routen untauglich sind.“ Damit haben sich die Kleinmachnower immerhin einen Teilerfolg erstritten: „Für unsere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist es entscheidend, dass das BVG das als Tat anerkennt“, so Schubert. Darüber hinaus aber hätte sich das BVG den Klägern gegenüber geradezu abwertend verhalten.
Anders als die Kleinmachnower, die gefordert hatten, den Planfeststellungsbeschluss neu aufzurollen, hatten die Kläger aus Mahlow und Zeuthen beantragt, den Planfeststellungsbeschluss zurückzunehmen oder zumindest auf unabhängige Starts von beiden Bahnen zu verzichten. Dies würde die im Planfeststellungsverfahren angegebenen Geradeausflüge bei Starts ermöglichen.
Anwalt Dolde gab zu, dass im Planfeststellungsbeschluss nicht explizit darauf hingewiesen worden war, dass sich die Routen später ändern können. Dies hätten interessierte Bürger aber erfahren können, wenn sie sich informiert hätten. „Man kann von den potentiell Betroffenen erwarten, dass sie sich in die Materie einarbeiten.“ Dem widersprach Klägeranwalt Mathias Hellriegel. Obwohl intern mindestens seit 1998 bekannt gewesen sei, dass bei den vom Flughafen gewünschten unabhängigen Starts, ein Abweichen von 15 Grad erforderlich ist, sei bis zum Schluss weiter öffentlich mit den Geradeausflügen geplant worden, begründete Hellriegel den Antrag auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses. Die Abweichung soll Lotsen erlauben, die Flugzeuge von beiden Bahnen ohne Absprache starten zu lassen, was den Betrieb beschleunigt. Die Betroffenen hätten wissen müssen, dass sich die Routen ändern könnten, sagte Dolde. Rechtlich verbindlich würden diese bekanntlich erst kurz vor der Inbetriebnahme eines Flughafens festgelegt. Die ersten geänderten Vorschläge hatte die Flugsicherung im September 2010 vorgelegt. Bei der Fülle von Details sei es unmöglich, auf alle potentiellen Varianten eines Planfeststellungsverfahrens hinzuweisen, argumentierte Dolde. So gut wie alle Betroffenen waren allerdings völlig davon überrascht worden, dass es am Flughafen zu anderen Routen kommen wird als im Verfahren angegeben. Ob dies ausreicht, den Planfeststellungsbeschluss zu kippen, ist unwahrscheinlich. Wie bereits am Dienstag machte der Vorsitzende Richter Rüdiger Rubel auch am zweiten Verhandlungstag klar, dass die Hürden dafür erneut sehr hoch seien. Selbst ein „beachtlicher Fehler“ könne durch eine Planergänzung berichtigt werden.
Wie bei den Verfahren am Dienstag zeichnete sich auch am Mittwoch ab, dass die Klagen scheitern werden. Ein Ergebnis könnte aber sein, dass bei künftigen Projekten die Auslegung der Unterlagen örtlich erweitert wird und Bereiche einschließt, die nur eventuell betroffen sein können. Ein Urteil wird erst später erwartet. Das Urteil zu den Kleinmachnower Klagen soll am 31. Juli mitgeteilt werden.