PNN 23.5.12

83 Mal Staubsauger täglich

von Hagen Ludwig

Umweltbundesamt bekräftigt sein Nein zur Wannsee-Route. Einjähriges Monitoring gefordert

Kleinmachnow - Wenn ein startendes Flugzeug in einer Höhe von 2000 Meter Kleinmachnow überquert, verursacht es einen Lärmpegel von bis zu 70 Dezibel – in der Wahrnehmung entspricht das einem laufenden Staubsauger in einem Meter Entfernung. Mit Eröffnung des Großflughafens Schönefeld wird dieses jaulende Geräusch den Ort wohl regelmäßig überziehen. Direkt über Stahnsdorf und Kleinmachnow verläuft die sogenannte Wannsee-Route für Starts in Richtung Norden und Osten. Ursprünglich war von täglich 48 Flügen allein auf dieser Route die Rede, im Februar wurde die Prognose von der Deutschen Flugsicherung (DFS) sogar auf 83 erhöht.

Es kommt also einiges zugeflogen auf Kleinmachnow. Die zu erwartenden Belastungen sind so hoch, dass das Umweltbundesamt (UBA) schon auf Grundlage der alten Überflugzahl empfohlen hatte, tagsüber auf die Wannsee-Route zu verzichten. Ohne Erfolg, denn in der nunmehr gültigen Rechtsverordnung für die Flugrouten ist sie fixiert.

Über die Gründe dafür sowie über andere Details des Gutachtens zur lärmfachlichen Bewertung der Flugrouten haben gut 100 Kleinmachnower am Montagabend im Rathaussaal mit zwei UBA-Vertretern diskutiert: dem Leiter des Fachgebietes Lärmminderung, Thomas Myck, und dem Gesundheitsmediziner Wolfgang Babisch.

Grundsätzlich seien die direkten Einflussmöglichkeiten des UBA bei der Flugroutenfestlegung relativ gering, erklärte Myck. Ihre Empfehlungen müssen nicht eins zu eins übernommen werden, das zuständige Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung habe sich lediglich mit dem UBA ins Benehmen zu setzen, wie es heißt.

„Uns wurden die Linien vorgelegt, die wir aus unserer Sicht zu bewerten hatten, mit der Maßgabe, dass der Flugbetrieb sicher sein und der vorgegebenen Endkapazität entsprochen werden muss“, so Myck. Dann habe man Vorschläge zur Optimierung der Situation gemacht. Doch Babisch sagte sehr deutlich: „Ich habe schon den Eindruck, dass unsere Stellungnahme auf die Festlegung der Flugrouten wenig Einfluss gehabt hat.“

Dabei sieht das UBA noch ein großes Potenzial für weitere Lärmminderungen. Dazu gehören die Betrachtung anderer Flugverfahren wie zum Beispiel in London-Heathrow, höhere Anflüge oder weniger Schub bei nicht voll beladenen Maschinen. Das alles sei noch nicht genügend untersucht worden, hieß es.

Völlig verschonen könne man die Einwohner vom Fluglärm ohnehin nicht. „Dafür steht der Flughafen schlicht am falschen Platz“, so Myck. Die Politik habe sich gegen Sperenberg für einen hauptstadtnahen Flughafen entschieden – die Konsequenzen müssten nun laut Babisch heißen: EndgültigerVerzicht auf ein internationales Drehkreuz und Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.

Ohnehin sei die Bewertung der künftigen Flugsituation für das UBA kompliziert gewesen, da längst nicht alle Maschinen auf den fixierten Routen geführt werden. Wie berichtet, kann zum Beispiel eine Freigabe ab einer Höhe von 1500 Metern erfolgen. „So können Menschen betroffen sein, die heute noch gar nicht damit rechnen“, so Myck. Das UBA empfiehlt deshalb ein einjähriges Monitoring nach Flughafeneröffnung, um die Berechnungen mit der Praxis abzugleichen und dann nach Optimierungen zu suchen.

Viel wird davon anhängen, ob der Dauerschallpegel in der Region von 6 bis 22 Uhr einen Wert von mindestens 50 Dezibel erreicht. Das würde die Chancen für eine Klage der Kommunen Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf gegen die Flugrouten beim Oberverwaltungsgericht deutlich erhöhen, hatte deren Rechtsanwalt Remo Klinger erklärt.

Dass ein solcher Lärm krank mache, verdeutlichte der Gesundheitsmediziner Babisch. Schlafstörungen, Stressreaktionen sowie Herz- und Kreislauferkrankungen gelten als Folgeerscheinungen. Interessant sei auch die Studie, dass schon bei einem äußeren Lärmpegel von 40 Dezibel deutliche Leistungsminderungen bei Schülern zu beobachten sind.

Zum Abschluss des Forums gab es noch einmal eine eindeutige Positionsbestimmung im Fluglärmstreit: „Das Umweltbundesamt steht auf der Seite der Bürgerinitiativen“, sagte Thomas Myck.