PNN 18.2.12
Statt mit 48 Überflügen pro Tag müssen die Anwohner mit 83 rechnen. Rechtsanwalt empfiehlt Klage
Region Teltow - Die Region Teltow könnte wesentlich stärker vom Lärm des künftigen Großflughafens Schönefeld betroffen sein als bisher angenommen. Statt der angekündigten 48 müsse jetzt mit 83 Überflügen gerechnet werden. Das teilte Rechtsanwalt Remo Klinger am Freitag mit. Die Kanzlei Geulen & Klinger vertritt in den Flugroutenverfahren die rechtlichen Interessen der Stadt Teltow sowie der Gemeinden Kleinmachnow und Stahnsdorf und hat ihnen jetzt eine Klage empfohlen.
Wie berichtet, hatte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) am 26. Januar dieses Jahres die Flugroutenfestlegung veröffentlicht und darin eine sogenannte Wannsee-Route (NOOST-Route) festgesetzt.
Angekündigt
wurde, dass auf dieser nur mit 48 Überflügen pro Tag zu rechnen sei.
Durch ein Schreiben der Deutschen Flugsicherung (DFS) sei die Kanzlei nun darüber informiert worden, dass diese Zahl falsch ist. Man habe „zwischenzeitlich einen neuen Prognoseflugplan 2012“ erhalten, zitiert Klinger aus dem Schreiben. Danach seien es 83 Überflüge, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Flughafens im Juni 2012 bei Westwindbetrieb – und somit an zwei Drittel der Betriebstage zu erwarten sind: Eine Steigerung um 73 Prozent. DFS-Pressesprecher Axel Raab bestätigte am Freitag gegenüber den PNN die Zahlen. 48 Überflüge sei der Stand vom vergangenen Jahr gewesen. Im Dezember habe jedoch eine internationale Konferenz der Airlines stattgefunden, auf der weiterer Bedarf für Berlin angemeldet wurde.
Aus den Kommunen kommt entschiedener Protest. „Wir lassen uns nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen Anderer für dumm verkaufen“, erklärte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Freitag. „Es spottet jeder Beschreibung, wie man hier offensichtlich mit uns umzugehen gedenkt“, pflichtete ihm Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) bei. „Es reicht“, lautete der kurze Kommentar des Stahnsdorfer Bürgermeisters Bernd Albers (Bürger für Bürger).
Laut Klinger gebe es Hinweise darauf, dass die jetzt bekannt gewordenen Tatsachen dem Bundesamt bereits zum Zeitpunkt der Flugroutenfestlegung bekannt waren. Das sei nicht nur politisch verheerend, sondern begründe auch einen schwerwiegenden Rechtsfehler, so der Anwalt, dessen Kanzlei unter anderem bereits die Stadt Rheinsberg und weitere Anliegergemeinden erfolgreich im Kampf gegen das Bombodrom vertreten hat. „Es hätte niemals zur Festlegung der Wannsee-Route kommen dürfen, denn offenkundig lagen veraltete Flugzahlen zugrunde“, so Klinger.
Den Gemeinden Kleinmachnow und Stahnsdorf, die unmittelbar unter der Wannsee-Strecke liegen, hat er eine Klage gegen die Flugroute beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg empfohlen. Zudem empfiehlt der Rechtsanwalt Musterklagen betroffener Einwohner. „Die nunmehr bekannt gewordenen Überflugzahlen erhöhen die Erfolgschancen deutlich“, erklärte Klinger gegenüber den PNN. Ohnehin stehe die Wannsee-Route im Widerspruch zum Votum der Fluglärmkommission und der Empfehlung des Umweltbundesamtes.
Teltow liegt nicht direkt unter dieser Flugroute. Sie könnte dennoch stark betroffen sein, weil laut BAF Flugzeuge, die vor Ludwigsfelde eine Flughöhe von 1500 Metern erreichen, früher abdrehen dürfen und somit unter anderem Teltow überfliegen würden. „Wenn das zu einer faktischen Flugroute führt, werde ich auch der Stadt Teltow eine Klage empfehlen“, so Klinger. Endgültig müssen die Kommunalvertreter der drei Kommunen über eine Klage ihrer Gemeinden gegen die Flugrouten entscheiden.
Wie berichtet, hat die Gemeinde Kleinmachnow gemeinsam mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft Gewog ebenso wie mehrere Privatpersonen bereits vor gut einem Jahr beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen das Planfeststellungsverfahren für den Flughafen eingereicht. Dort soll es Anfang Juli nun zur Verhandlung kommen, sagte Matthias Schubert von der Kleinmachnower Bürgerinitiative gegen die Flugrouten am Freitag den PNN. Die Initiative unterstützt ebenso wie eine Zehlendorfer Bürgergruppe finanziell die Klagen der Privatpersonen. Nach Ansicht der Kläger ist der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig zustande gekommen, weil dort in der Prognose noch nicht von Parallelstarts ausgegangen wurde. Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf galten als nicht betroffen und wurden an dem Verfahren nicht beteiligt.