PNN 18.2.2012
Polizei und Sozialarbeiter suchen nach neuen Präventionsprojekten
Werder (Havel) - Die Rechnung, die Kriminologen aufmachen, ist einfach: Desto besser Jugendliche eingebunden sind in schulische Projekte, Sportvereine und ein familiäres Netz, desto seltener werden sie kriminell. „Einzugreifen, wenn Kinder bereits häusliche Gewalt erfahren haben, bringt deshalb vergleichsweise wenig“, sagte Annelie Dunand vom Sozialtherapeutischen Institut Berlin-Brandenburg (Stibb e.V.). Sozialarbeiter müssten viel früher aktiv werden, als sie es bislang tun, fordert sie, damit Jugendliche gar nicht erst selbst zu Gewalttätern werden.
Die Polizeidirektion West hat deshalb gemeinsam mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark am gestrigen Freitag zu einer Fachkonferenz für Lehrer, Polizisten und Vertreter der Kommunen eingeladen. Das Ziel: eine bessere Vernetzung der einzelnen Akteure und somit bessere Prävention. Denn der Anteil von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden an der Gruppe der Straftäter ist im Landkreis nach einem Rekord-Tief im Jahr 2008 (449 Fälle), wieder leicht gestiegen. Die Gewalt richtet sich dabei gegen Gleichaltrige oder Jüngere, auch Mobbing sei ein großes Thema, so Dunand.
Auch Experten wie der Landeschef des Deutschen Richterbundes, Matthias Deller, warnen, dass der Eindruck einer langfristig sinkenden Jugendkriminalität trüge: Durch die Polizeireform im vergangenen Jahr würden die Straftaten Jugendlicher womöglich nur nicht mehr adäquat verfolgt.
Besonders die Region Teltow ist, dem demografischen Wandel zum Trotz, bislang noch eine „junge Region“, sagt Daniela Adams-Klose von der Jugendgerichtshilfe (JGH) des Landkreises. Von insgesamt 65 500 Einwohnern sind derzeit 14 300 unter 21 Jahre alt. Zwar liegt die Region im Speckgürtel von Berlin, Arbeitslosigkeit und Kinderarmut sind damit relativ gering: Während im gesamten Gebiet Potsdam-Mittelmark jedes achte Kind Sozialgeld bekommt, ist es in den Kommunen Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf und Nuthetal nur jedes 17. Kind. Auch von Sprach-, Sprech- oder Bewegungsstörungen sind die Kinder hier seltener betroffen als im Rest des Landkreises.
„Soziale oder emotionale Schwierigkeiten sind, gerade in Kleinmachnow, hingegen häufiger“, so Adams-Klose. Hier litten Kinder häufiger unter einer Scheidung oder Trennung der Eltern, so der Eindruck der Sozialarbeiter vor Ort, manche sprechen sogar von einer „Wohlstandsverwahrlosung“. Statistisch belegt ist die allerdings nicht.
Daneben bereitet vor allem der starke Alkohol- und Cannabis-Konsum der Jugendlichen den Sozialarbeitern Sorge. Bärbel Severin vom Stahnsdorfer Jugendclub „Clab“ lobt zwar das „Klarsicht“-Projekt, mit dem Mitarbeiter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) seit Jahren in 7. und 8.Klassen vor den Gefahren von Alkohol und Zigaretten warnen. Wichtig sei es dabei, möglichst früh anzusetzen. Dazu müssten aber schon die Kontakte zu den Grundschulen ausgebaut werden: „Im Jugendklub bringen solche Aktionen wenig, da bleiben die Jugendlichen dann einfach weg“, so Severin. Stattdessen müsse sie immer wieder mit kleinen Sticheleien auf die Teenager einwirken. Auch der Kontakt zu den Eltern sei nicht einfach herzustellen, schließlich kämen die Jugendlichen ja in den Klub, um sich abzunabeln.
Sinnvoller wäre es, den Verzicht auf Suchtmittel mit einem positiven Erlebnis zu verknüpfen, schlägt der Kleinmachnower Streetworker Alexander Bonatz vor. Ihm schwebt dabei ein Open-Air-Konzert im Freibad Kiebietzberge vor. Für die Idee begeistern sich auch Torsten Schiffer vom Teltower Jugendhaus und Jana Köstel, die in Nuthetal die Einrichtung „Brücke e.V.“ betreibt. Noch in diesem Jahr wollen sie den „Präventionstag“ umsetzen.