PNN 14.10.11

Großflughafen BER in Schönefeld: "Kein Persilschein für die Politik"

von Ariane Lemme und Hagen Ludwig

Nach dem Nachtflug-Urteil setzen die Kommunen und Bürgerinitiativen der Region auf ein Volksbegehren

Potsdam-Mittelmark - Die Erwartungen waren nicht allzu hoch, deshalb reagierten Kommunalvertreter und Bürgerinitiativen im Potsdamer Umland am Donnerstag gefasst auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, das am künftigen Großflughafen Schönefeld Starts und Landungen in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr ermöglicht. Übereinstimmend erklärten die Fluglärmgegner, dass jetzt die Politik gefordert sei, die Belastungen für die betroffenen Kommunen so weit wie möglich zu minimieren.

Der Sprecher der Bürgerinitiative „Kein Fluglärm über den Havelseen“, Peter Kreilinger, zeigte sich menschlich enttäuscht, hält das Urteil der Bundesrichter aber fachlich für vertretbar. „Sie hatten lediglich festzustellen, ob mit den geplanten Nachtflügen die äußersten juristischen Bemessungsgrenzen überschritten werden“, erklärte der Rechtsanwalt gegenüber den PNN. Das Urteil sei jedoch kein Persilschein für die Politik. „Die Nachtflüge sind laut dem Urteil zwar nicht rechtswidrig, aber deshalb noch lange nicht politisch vernünftig“, so Kreilinger. Deshalb müssten jetzt die Vorbereitungen für ein Volksbegehren gegen die Nachtflugregelung getroffen werden. Kreilingers Bürgerinitiative vertritt Anwohner in den Gemeinden Werder (Havel), Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal. Sie befürchten vor allem massive Belastungen durch die Anflüge in Richtung Schönefeld, die in Stoßzeiten quer über den Schwielowsee geleitet werden sollen. Weitere Nachbesserungen erhofft sich die Bürgermeisterin der Gemeinde Schwielowsee, Kerstin Hoppe (CDU), von einem Gespräch, dass für Anfang November mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vereinbart wurde. „Wir werden den Ministerpräsidenten an sein Versprechen erinnern, dass es keine Anflüge über den Havelseen in den von der Deutschen Flugsicherung (DFS) geplanten Höhen von 1000 bis 1500 Metern geben wird“, sagte Hoppe gestern.

In Kleinmachnow werden indes bereits konkrete Vorbereitungen für ein Volksbegehren getroffen. Die Gemeindevertretung will auf ihrer nächsten Sitzung beraten, wie die Unterschriftensammlung in der Kommune möglichst reibungslos gestaltet werden kann. „ Nach dem Gerichtsurteil zuungunsten der Bevölkerung ist es nun umso wichtiger, dass die Politik Farbe bekennt und der Druck aus der Bevölkerung auf Landesregierung und Parlament erhöht wird“, sagte die aus Kleinmachnow stammende Bundestagabgeordnete Cornelia Behm (Bündnis 90/Grüne). Die Herausforderung ist groß, weil landesweit 80000 Unterschriften notwendig sind, die ausschließlich in den Rathäusern nach vorheriger Identitätsprüfung geleistet werden dürfen. Ziel ist ein Volksentscheid zum Nachtflugverbot.

„Vom Bundesverwaltunggericht sei kein anderes Urteil zu erwarten gewesen, sagte Michael Lippoldt von der Kleinmachnower Bürgerinitiative. „Dem Gericht geht es, bildlich gesprochen, nicht darum, was in dem Brief steht, sondern lediglich darum, ob die Briefmarke den richtigen Wert hat“, so Lippoldt. „Wir müssen jetzt die Politiker dazu bekommen, andere Gesetze zu machen“, erklärte er gegenüber den PNN. Auch juristisch gehe die Auseinandersetzung weiter. Im Streit um die Offenlegung von Akten aus der Planungsphase des neuen Hauptstadtflughafens habe der Berliner Rechtsanwalt Philipp Heinz beim zuständigen Verwaltungsgericht Cottbus jetzt eine einstweilige Anordnung gegen die Flughafengesellschaft in Schönefeld beantragt. Heinz führt mehrere Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss – unter anderem für Kleinmachnower.

Dass sich die Politik nun nicht mehr hinter den Leipziger Richtern verstecken kann, sei das positive Fazit aus dem Urteil des BVG, findet auch der Stahnsdorfer Jurist und Sprecher der dortigen Initiative, Wolfgang Brenneis. Denn: „Unabhängig von seiner juristischen Richtigkeit ist das Urteil wenig hilfreich, es trägt nicht dazu bei, den Frieden in der Region wieder herzustellen.“ Auch die Politiker, deren Wünsche durch das Urteil vordergründig bestätigt worden seien, hätten eigentlich keinen Grund zur Freude, so Brenneis. Mit einer weiteren geplatzten Hoffnung schwinde auch das Vertrauen der Bürger in sie, ist der Initiativenchef überzeugt.

Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) erklärte, das Gerichtsurteil sei Ansporn, auf politischer Ebene weiter für ein Nachtflugverbot zu kämpfen. Von der Eindeutigkeit des Urteils sei er allerdings überrascht. „Ich hätte mir zumindest ein wenig mehr Entgegenkommen gewünscht.“ So aber würden mit dem Urteil „Fehltritte der Vergangenheit geadelt und Kommunikationspannen gut geheißen, die so nicht hätten passieren dürfen“. Auch Thomas Czogalla, Sprecher der Teltower Bürgerinitiative, zeigte sich weniger von der Ablehnung der Klage selbst, als vielmehr von den Details der Urteilsbegründung enttäuscht. Unter anderem hatten die Richter erklärt, für den Lärmschutz in der Nacht sei nicht entscheidend, dass die Flugrouten jetzt anders liegen als jahrelang angenommen. Czogalla hofft nun, dass das Urteil die Bürger in der Region noch einmal aufrüttelt. Wir müssen jetzt deutlich machen, dass das Volksbegehren das Einzige ist, was uns noch bleibt, so Czogalla.