PNN 24.09.11
Müntefering in Kleinmachnow zu Kommunen im demografischen Wandel
Kleinmachnow - Altenpflege wird mehr und mehr zur Sache der Kommunen, davon ist Franz Müntefering überzeugt. Der SPD-Politiker war am Donnerstagabend ins Kleinmachnower Rathaus gekommen, um über die Folgen des demografischen Wandels zu sprechen. Für das Thema ist der 71-jährige frühere Vizekanzler Experte, er leitet die „Agenda Demografischer Wandel“ im Bundestag.
Dass die Auswirkungen in der Region Teltow derzeit noch nicht so deutlich spürbar seien, sei dem starken Zuzug junger Familien geschuldet, erklärte SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein (SPD), die zu der Veranstaltung eingeladen hatte. Bis zum Jahr 2030 aber werde der Anteil der über 65-Jährigen auf 30 Prozent steigen, zugleich wird der Anteil der Berufseinsteiger sinken.
„Aufhalten können wir den Prozess, dass wir immer älter werden, nicht, wohl aber etwas Gutes daraus machen“, stellte Müntefering gleich zu Beginn seines Vortrags klar. Entscheidend sei es, neue, altersgerechte Wohnformen zu schaffen, die ein Altern im vertrauten Umfeld ermöglichen. „Man kann den Mensch mit einer Wohnung ebenso erschlagen wie mit einer Axt“, zitierte er Heinrich Zille. Für viele pflegebedürftige Menschen sei es dramatisch, in ein Altenheim ziehen zu müssen. Die Folgen seien oft Vereinsamung, ebenfalls ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel.
Auch das könne nur vor Ort gelöst werden, so Müntefering. Durch Genossenschaften, neue Wohnprojekte und Mehrgenerationenhäuser. „Das ist besonders für uns Männer wichtig“, sagte Müntefering. Die nämlich neigten dazu, sich 30, 40 Jahre auf die Karriere zu konzentrieren, und dann in ein Loch zu fallen. „Das Leben endet aber nicht mit dem Beruf.“ Mehrgenerationenhäuser oder auch Einrichtungen wie die Akademie 2. Lebenshälfte könnten in solchen Fällen beraten, ehrenamtliche Aufgaben vermitteln und als Begegnungsstätte dienen.
Wie die oft klammen Kommunen all diese Angebote finanziell stemmen sollen, brachte Müntefering nicht zur Sprache, stattdessen erklärte er: „Eine Wohnung alten- und behindertengerecht umzugestalten, kostet oft nur ein paar tausend Euro.“ Hier hakte Herbert Franke, Vorsitzender des Kleinmachnower Seniorenbeirats nach: „Unserer Erfahrung nach sind die Kommunen mit diesen Aufgaben finanziell überfordert.“ Er fordere deshalb mehr Unterstützung von Bund und Landkreis, die aber gebe es immer nur für maximal 2,5 Jahre.
Ähnlich sah es auch Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke):„Es gibt zwar eine ganze Reihe von Förderprogrammen, aber keines, das altersgerechtes Wohnen an sich fördert.“ In ihrer Gemeinde sei man gerade dabei, zusammen mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (Gewog) solche Projekte zu initiieren. Um tatsächlich auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingehen zu können, würden derzeit Wunsch-Fragebögen verteilt. Sie machte aber auch noch auf ein anderes Problem aufmerksam: „Den freiwilligen Feuerwehren in den Kommunen fehlt schon heute der Nachwuchs, hier müssen wir vor allem auch junge Mädchen stärker ermutigen.“
Der Hintergrund sind die schrumpfenden Bevölkerungszahlen. Derzeit leben 81 Millionen Menschen in Deutschland, bis 2060 werden es nur noch rund 68 Millionen sein – allerdings nur, wenn jährlich 100 000 Menschen zuwandern. „Davon aber sind wir weit entfernt“, warnte Müntefering. Vor allem die ländlichen Regionen seien betroffen. Finnland könne, was die Versorgung von Alten und Kindern angeht, ein Vorbild sein. Denn dort ist schon Realität, was sich hierzulande gerade abzeichnet: Die Metropolen wachsen, die ländlichen Regionen schrumpfen. Zum Schluss hat Müntefering auch noch einen Tipp, wie man gut alt werde: Bewegung. „Wer die Beine bewegt, hält auch das Gehirn am Laufen.“