Kleinmachnow feiert Tag für Gleichstellung
Kleinmachnow - Ein faires Zusammenleben zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten lässt sich nicht allein mit barrierefreien öffentlichen Gebäuden schaffen. Darauf wollte die Arbeiterwohlfahrt (Awo) gestern mit dem „Europäischen Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ auf dem Kleinmachnower Rathausmarkt aufmerksam machen. „Inklusion muss alle Lebensbereiche durchdringen“, sagte Wolfgang Grasnick, Geschäftsführer der Union Sozialer Einrichtungen (USE). Der relativ neue Begriff will Menschen mit und ohne Einschränkung nicht mehr als zwei getrennte Gruppen verstehen.
Bis dahin sei es noch ein weiter Weg, findet Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD): „Inklusion ist vor allem Netzwerkarbeit, sie hängt vom Willen und der Gesprächsbereitschaft aller Beteiligten ab.“ Viele Prozesse stünden noch am Anfang, beispielsweise die Diskussion um das gemeinsame Lernen an den Regelschulen. „Wir müssen verhindern, dass dieses Ziel durch ein zu schnelles Vorgehen der Politik von den Bürgern abmoderiert wird“, so Schmidt.
Die Ängste der Eltern „normaler“ Kinder kennt auch Grasnick: „Gerade an Schulen wird der inklusive Ansatz immer wieder angelehnt – allerdings mittlerweile auch von manchen Behindertenverbänden selbst.“ Viele Betroffene betonen heute, neben aller Kritik, auch wieder den Wert von Förderschulen und Werkstätten. Als der Begriff Inklusion vor einigen Jahren in Deutschland aufkam, sei das noch anders gewesen, so Grasnick. „Mittlerweile ist vielen klar geworden, dass der Begriff politisch missbraucht werden kann.“ Etwa dann, wenn spezielle Einrichtungen geschlossen werden – vordergründig, weil sie nicht dem Prinzip der Inklusion entsprechen, tatsächlich aber vielleicht auch einfach, weil sie kostspielig sind.
Alarmierend sei auch, dass die Zahl derer, die mit einer Beeinträchtigung tarifgerecht bezahlt würden, seit Jahren abnehme, sagt Grasnick. Dennoch sei nichts gewonnen, wenn Behinderte zwar in normalen Firmen arbeiteten, von den Kollegen aber weder zum Mittagessen noch zum Feierabendbier mitgenommen werden. Hier muss sich etwas in den Köpfen ändern, das aber brauche Zeit. Protesttage wie gestern in Kleinmachnow könnten dazu beitragen, war Veranstalterin Bärbel Schenk überzeugt.Ariane Lemme