PNN
Von Klaus Kurpjuweit, Hagen Ludwig und Tobias Reichelt
Sieben Monate wurde diskutiert und demonstriert. Am Montag hat die
Fluglärmkommission nun Routen für die Starts am künftigen Flughafen in
Schönefeld beschlossen, die sie jetzt der Deutschen Flugsicherung (DFS) zur
Entscheidung vorlegen wird. Die Kommission selbst kann die Routen nicht
festlegen; sie berät die Flugsicherung.
Nach den Empfehlungen der Fluglärmkommission wird Lichtenrade nicht überflogen,
weil die Piloten nach dem Abheben von der Nordbahn bei Starts Richtung Westen
geradeaus fliegen sollen. Ursprünglich wollte die DFS die Flugzeuge nach Norden
abknicken lassen, wodurch sie über Lichtenrade gedonnert wären. Auch
Lichterfelde, Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf werden verschont.
Starten die Flugzeuge von der Südbahn nach Westen, sollen sie um 15 Grad oder
mehr abknicken, um ein Überfliegen von Blankenfelde-Mahlow im südlichen Bereich
zu verhindern, das beim Geradeausflug von der Nordbahn aber überflogen wird. So
war es auch in den Genehmigungsunterlagen eingezeichnet.
Gegen das Abknicken von der Südbahn wehrt sich aber eine Initiative aus
Rangsdorf, weil die Maschinen dann dicht am Vogelschutzgebiet Rangsdorfer See
vorbeifliegen. Die Initiative bereitet eine Beschwerde bei der EU-Kommission
vor, weil der Naturschutz missachtet werde. Zudem sei die Gefahr eines
Vogelschlags besonders groß.
Bei Starts gen Osten von der Südbahn empfiehlt die Fluglärmkommission das
scharfe Abknicken Richtung Süden gleich nach dem Start. So würde das Zentrum
von Zeuthen nicht überflogen. Während der Chef der Flugsicherung in Berlin,
Hans Niebergall, es für möglich hält, dass 98 Prozent aller Maschinen diese
Kurve fliegen können, gibt es bei Piloten und Bürgern in Zeuthen Zweifel, dass
es allen Piloten gelingen wird, diese Route so zu nehmen, dass Zeuthen vom
Krach am Himmel verschont wird. Die dortige Bürgerinitiative fordert deshalb,
dass auch von der Südbahn zunächst geradeaus geflogen wird, wie es bei der
Nordbahn vorgesehen ist. Die Fluglärmkommission will die Geradeausflüge aber
nur für die Maschinen zulassen, die weiter Richtung Osten fliegen oder die die
scharfe Kurve nicht schaffen.
Geradeausflüge wären grundsätzlich mit einem Abweichen von internationalen
Vorschriften verbunden, was nur mit einer Ausnahmegenehmigung des
Bundesverkehrsministeriums möglich wäre. Die Fluglärmkommission lässt dafür von
unabhängigen Sachverständigen die erforderliche Sicherheitsprüfung erstellen,
die nach Angaben von Flughafenchef Rainer Schwarz von der Flughafengesellschaft
finanziert wird.
Die vorgeschlagenen Routen beziehen sich bisher nur auf den unmittelbaren
Startbereich. Nicht festgelegt hat die Kommission bisher, wann die Piloten die
Routen verlassen dürfen. So ist weiter unklar, ob Flugzeuge, die nach Westen
starten und Kurs gen Norden nehmen, früh abknicken und dann Wannsee überfliegen
oder den Knick erst später machen, wenn sie auch Potsdam und Werder im Süden
passiert haben. Dies solle auf der nächsten Sitzung der Kommission am 11. April
geklärt werden, kündigte die Vorsitzende Kathrin Schneider an.
Dazu soll der Überflugspunkt Wannsee in Richtung Westen verlegt werden, sagte
Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) gegenüber den PNN. Die
Flugzeuge würden dann Potsdam und die Stadt Werder westlich des Berliner Autobahnrings
umfliegen. „Damit wäre die Region komplett entlastet“, sagte Grubert. „Es gilt
dann geradeaus und außenrum – statt oben drüber.“ Der Antrag sei mit den
Fluglärmgegnern der Havelseen-Region abgestimmt. Würde der Überflugspunkt
hingegen nicht verlegt, sei mit etwa 50 Maschinen pro Tag bei Westwind zu
rechnen, die über die Stahnsdorfer Ortsteile Güterfelde, Kienwerder und Teile
Kleinmachnows und Wannsee fliegen würden. „Ich kann mir aber nicht vorstellen,
dass wir dafür keine Lösung finden“, so Grubert.
Nach Lösungen soll auf der nächsten Kommissionssitzung auch für die viel
diskutierten Anflugrouten auf den Flughafen gesucht werden. Auch dafür hat die
Flugsicherung gestern verbesserte Vorschläge gemacht. Profitieren würden
dadurch vor allem Werder und die Region um die Havelseen. Werders Bürgermeister
Werner Große (CDU) ist zwar noch vorsichtig: „Bei Ostwind haben wir bis zu 250
Flugzeuge täglich über unseren Köpfen zu befürchten.“ Der Leiter der Berliner
Flugsicherungs-Niederlassung, Niebergall, habe ihm jedoch zugesichert, dass
auch bei den Anflügen noch Verbesserungen möglich seien. Laut Vorschlag des
Landkreises Potsdam-Mittelmark sollen auch die westlichen Anflugkorridore bis
hinter den Berliner Autobahnring verschoben werden, um damit Potsdam und die
Region Havelseen zu schonen. mit ldg/tor