PNN

 

Kunst und Rentnergymnastik?

Kleinmachnower Künstler uneins über Zukunft der Kammerspiele / Heute steht Kaufentscheidung an (24.03.11)

Kleinmachnow - Heute Abend entscheiden die Kleinmachnower Gemeindevertreter über die Zukunft der Kammerspiele. Die Gemeinde könnte das von der Schließung bedrohte Kino- und Theaterhaus auf eigene Kosten retten. Politisch ist das umstritten und auch in der Kleinmachnower Kunstszene regt sich Widerstand. Die einen sehen in der Rettung einen Schritt zu kultureller Vielfalt, die anderen befürchten das Gegenteil: Funktionierende Kammerspiele könnten Geld verschlingen, das bislang anderen Künstlern zur Verfügung stand, und einen Kampf um zahlende Gäste entfachen.

„Die Angst ist da, dass wir bald weg vom Fenster sind“, sagt Christiane Heinke. Die Opernsängerin gehört zu den Mitbegründern des Kleinmachnower Kultraums – einem Szene-Treff für Künstler und Kunstinteressierte. Abgesehen von der mietfreien Unterkunft bekomme der Verein keine Unterstützung der Gemeinde, sagt sie. Mehrmals im Monat organisiert der Kultraum Konzerte, Lesungen, Kabarett. Die Veranstaltungen seien im Normalfall gut besucht, sagt Heinke. Den Normalfall gebe es aber nur dann, wenn parallel keine anderen Kulturveranstaltungen im Ort stattfinden. Ist das der Fall, teile sich die Gästeschar. „Es gibt in Kleinmachnow nur eine begrenzte Klientel, die am Abend weggeht“, sagt Heinke. Die Kammerspiele könnten eine zu starke Konkurrenz für den Kultraum werden, fürchtet sie.

Rainer Ehrt, Chef des Kleinmachnower Kunstvereins „Die Brücke“, sieht den Kauf der Kammerspiele ähnlich kritisch. Ehrt sieht darin die Gefahr des „Kultur-Zentralismus“. Mit seinem Kunstverein hat er sich um die Nutzung des leerstehenden Kanalarbeiterhauses am Zehlendorfer Damm 200 beworben. In den Kammerspielen sieht er keine Zukunft für den Verein: „Kunst im Mehrzweckraum mit Rentnergymnastik ?“, fragt er kritisch. Das Kanalarbeiterhaus biete indes Atmosphäre, es gehört der Kommune, die Sanierung ist günstiger, ein Konzept liegt vor. Antwort hat er bislang noch nicht.

Das Problem: Kauft Kleinmachnow die Kammerspiele, bleibt kaum Geld für den Kunstverein. 170 000 Euro müsste die Gemeinde für den Betrieb der Kammerspiele jährlich aufbringen, bis ein anderer Betreiber gefunden ist. Hinzu kommen Sanierungskosten im Millionenbereich.

Michael Martens will die Kostendebatte hingegen nicht überstrapazieren. Martens bewirbt sich mit seiner Genossenschaft für den Betrieb der Kammerspiele nach dem Kauf durch die Gemeinde. „Die 170 000 Euro benötigen wir gar nicht“, sagt er. Das Genossenschaftsmodell gehe von kleineren bis gar keinen Zuschüssen aus. „Damit bleibt Geld übrig, um andere Angebote zu stärken“, sagt Martens. Der Kauf der Kammerspiele stärke also die Vielfalt im Ort. Außerdem: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Es gelte die Gruppe der Kunstinteressierten zu vergrößern, sagt Martens.

Interessierte scheinen zumindest in ausreichender Zahl vorhanden: Der Förderverein „Freunde der Kammerspiele“ hat innerhalb von drei Wochen 500 Unterstützerunterschriften für den Kauf des Kinos gesammelt, teilte Ingo Sommer gestern mit. Das sei kein Wunder, findet Michael Goldammer, Leiter der Kreismusikschule. „Der Bedarf ist da.“ Goldammer unterstützt den Kauf der Kammerspiele. Die Musikschule wolle das Haus wieder nutzen, so wie früher. Da spielten die Musikschüler hier regelmäßig. Zuletzt schrumpfte die Zahl der Konzerte auf eines im Jahr. „Das kann man wieder steigern“, sagt Goldammer. Vorausgesetzt, das Haus wird gerettet. Tobias Reichelt