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Von Alexander Fröhlich
Schönefeld - Die Fluglärmgegner erhöhen den Druck: Erstmals haben sie
am Samstagnachmittag die Zufahrt zum Flughafen Schönefeld gesperrt. Für 40
Minuten kam der Verkehr auf der Bundesstraße 96a zum Erliegen. Passagiere und
Gäste, die mit Auto oder Bus unterwegs waren, mussten längere Fahrzeiten in
Kauf nehmen – oder mehrere hundert Meter zum Terminal laufen. Das Bündnis
Berlin-Brandenburg, das zum Protest aufgerufen hatte, sprach von 10 000
Teilnehmern, die Polizei von 6000. Die Polizei wollte zumindest für
Rettungsfahrzeuge eine Fahrbahn freihalten.
Die Sperrung zeigt, dass der Streit schärfer wird. Das Anti-Fluglärm-Bündnis
fordert ausschließlich Geradeaus-Routen, keinen Flugbetrieb in der Nacht und
den Verzicht auf die Drehkreuzfunktion für den BBI. Andernfalls, hieß es, werde
in dem „Jahrhundert-Konflikt für die Region“ der Protest weiter verschärft.
Bündnissprecher Markus Peichl bemühte sich vor dem Protest um Sachlichkeit:
„Das ist eine normale Demonstration, die wie jede andere zu einer Einschränkung
des Verkehrs führt.“ Es gibt aber auch schärfere Stimmen bei den 14 Initiativen
des Bündnisses. Matthias Schubert von der Initiative gegen neue Flugrouten in
Kleinmachnow beispielsweise ist sich sicher, dass „die nicht auf unsere
Argumente hören werden, solange die Demos keinen wirtschaftlichen Schaden für
den BBI bringen“. Klar sei, dass die Demonstration das Image des Flughafens
beieinträchtigen werde, „doch wir sehen keine andere Möglichkeit, die
berechtigten Anliegen von Hunderttausenden von Betroffenen zur Geltung zu
bringen.“
Bis Mai sind zwei weitere Demonstrationen geplant, dann soll die Deutsche
Flugsicherung (DFS) ihre Vorschläge für die BBI-Flugrouten vorlegen. Anlass für
die anhaltende Proteste in der Hauptstadtregion waren die im September von der
DFS präsentierten Routen, da anders als im Planfeststellungsverfahren für den
BBI keine Geradeaus-, sondern ein Parallelbetrieb der beiden Startbahnen mit
nach Norden und Süden abknickende Flugrouten vorgesehen ist. Für den Fall, dass
die Forderungen des Bündnisses nicht erfüllt sind, wollen die 14 Initiativen in
Berlin und Brandenburg dann wöchentlich in Schönefeld auf die Straße gehen und
für Verkehrsstörungen sorgen. „Ein Flughafen, vor dem ständig protestiert wird,
erleidet einen Imageschaden“, sagte Schubert. Der Sprecher der
Lichtenrade-Initiative, Simon Lietzmann, erklärte, „wir werden das Thema in den
Berliner Wahlkampf bringen“.
Nach Schätzung des Bündnisses wären nach den derzeitigen Plänen mehr als eine
halbe Million Menschen im Süden Berlins und in Brandenburger Kommunen von
Fluglärm betroffen. Daher fordert Bündnis-Sprecher Markus Peichl, die alten
Geradeaus-Starts und ein generelles Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr
beizubehalten. „Alle Drehkreuzfantasien“ von Politik und Wirtschaft „lehnen wir
ab“. Der BBI sei als Flughafen für den regionalen Bedarf genehmigt worden.
„Wenn Berlin und Brandenburg ein Drehkreuz brauchen, soll man anfangen, es in
Sperenberg zu bauen.“ Bekanntlich war die Entscheidung für den BBI-Standort in
Schönefeld eine politische, Gutachter hatten in den 1990er Jahren Sperenberg
empfohlen. „Der BBI soll so in Betrieb genommen werden, wie er genehmigt und
ein Jahrzehnt lang angekündigt wurde“, sagt Peichl. „Das ist in einem
Rechtsstaat so, es geht um Verlässlichkeit. Mit großer Freude und Vehemenz
machen wir das heute klar.“
Dass die Fluglärm-Gegner ihre Kundgebung am Sonnabend nicht wie Ende Januar auf
einem Parkplatz des Flughafens mit 15 000 Menschen abhalten wollten, hat
auch einen anderen Grund: Die Fronten sind zunehmend verhärtet, die
Flughafengesellschaft wollte diesmal keine Fläche gratis zur Verfügung stellen.
„Solange die Flugrouten-Diskussion keine Flughafen-Diskussion war, war das in
Ordnung. Aber einige Initiativen scheinen jetzt den Realitätssinn verloren zu
haben, wenn sie den BBI in Schönefeld an sich ablehnen – und zwar gegen die
Interessen einer ganzen Region“, sagte der Sprecher der Flughafen-Gesellschaft,
Ralf Kunkel. Einzelne Forderungen seien nicht mehrheitsfähig, ein komplettes
Nachtflugverbot sei nicht machbar, das liege unter dem, „was die Airlines als
Bedarf angemeldet haben. Das wird das Wachstum des BBI mittelfristig ohnehin
hemmen“, sagte Kunkel. In der Diskussion um Flugrouten werde „verkannt, dass
wir in der Fluglärmkommission auf einem guten Weg sind.“ Genau das bezweifeln
die Fluglärm-Gegner. Kleinmachnows Initiative-Sprecher Schubert hat bislang
„kein wirkliches Einlenken“ bemerkt.