PNN
Schönefeld - Demonstranten sind mitunter Poeten. „Kein Jet über meinem
Bett“, hat ein Mädchen auf ihr Plakat gemalt. Andere haben die wahre
Bezeichnung hinter dem Kürzel BBI entdeckt: Berliner Bürger ignoriert. Die
meisten der etwa 9000 Menschen, die am Samstag in dem Proteszug am Flughafen
Schönefeld marschierten, hatten ihre Botschaft indes klar formuliert. Gegen
Fluglärm! Gegen Nachtflüge! Gegen ein internationales Drehkreuz und für
Flugrouten, wie sie mal geplant waren.
Seit die Flugrouten für den neuen Flughafen in Schönefeld bekannt sind,
schwillt der Protest. Seit vergangenem September, als die Deutsche
Flugsicherung (DSF) völlig andere Start- und Landeschneisen als jahrlang
kommuniziert und erwartet präsentierte, gilt das Wort vieler Berliner und
Brandenburger Politiker zumindest bei potenziellen Fluglärm-Betroffenen als
nicht mehr glaubhaft. Doch marschierte am Samstag, bei der zweiten groß
angelegten Protestaktion, neben Wut und Entäuschung auch Skepsis mit.
„Protestmüde bin ich noch nicht“, versichert der Kleinmachnower Dietrich Munk
und reckt zum Beweis sein Anti-Fluglärm-Schild noch ein bisschen höher. „Ob wir
Erfolg haben, weiß ich aber nicht“, gesteht er. Politiker seien stur und es
seien machtvolle Interessen, gegen die man kämpfe. „Doch ich will es versucht
haben“, begründet er seinen Widerstandskampf.
Dort agiert an vorderster Front Matthias Schubert. Der Sprecher der
Kleinmachnower Bürgerinitiative gegen Fluglärm ist am Samstag als
Multi-Funktionär auf der Bundesstraße 96 unterwegs: Er ist Versammlungsleiter
der Großdemo, Plakatträger, Interviewpartner, Protestredner. „Verhunzt und
verlärmt“ werde die ganze Region im Umkreis von 40 Kilometern, werde der
Flughafen so gebaut, wie es Planer, Betreiber und auch Politiker derzeit
vorantreiben: Als internationales Drehkreuz. Schon längst gehe es nicht
mehr allein um Flugrouten, sondern um die Frage, in welcher Dimension der
Airport gebaut wird. Markus Peichl vom Bündnis „Berlin Brandenburg gegen neue
Flugrouten“ wusste das in Zahlen zu verdeutlichen. Statt der ursprünglich
geplanten maximal 360 000 Flugbewegungen im Jahr sei inzwischen von 520 000
Start- und Landemanövern die Rede. Zehn Prozent Umsteigeaufkommen würden einem
Flughafen für den regionalen Bedarf entsprechen, so wie er für
Berlin-Brandenburg genehmigt wurde. Inzwischen, so Peichel, gehe man aber von
mehr als 30 Prozent Flugreisenden aus, die Schönefeld nur als Transitstation
sehen. „Dieser Flughafen wäre ein Monster, der das Leben in der Region für 100
Jahre verändern wird“, prophezeite Peichl. Es gäbe dann keinen Himmel mehr über
der Region.
Korrekturen an den umstrittenen Flugrouten würden daran nichts ändern, ist
Schubert überzeugt. Es würden lediglich neue Betroffenheiten geschaffen. Doch
die 14 Initiativen stünden solidarisch zusammen. „Zwischen die Demonstranten
passt kein Blatt“, versicherte Schubert. Auch der Antrag der Kommunen Teltow,
Stahnsdorf und Kleinmachnow sowie des Berliner Bezirks Steglitz-Zehlenforf, der
für die heutige Sitzung der Fluglärmkommission eingebracht wurde, habe nicht
die Kraft eines Spaltkeils. In dem Papier wird vorgeschlagen, die Abflugroute
der BBI-Nordbahn so zu verlagern, dass die Region Teltow entlastet wird.
Gleichzeitig würde es aber zu Belastungen anderer Gebiete, vor allem rund um
Werder, kommen. Verärgert reagierte Schubert auf den Vorstoß und zürnte über
die Kommunikationspanne. Aber er versicherte: „Von unserer Bürgerinititiative
wird das nicht mitgetragen“. Michael Lippoldt, Kleinmachnows Vertreter in der
FLK kündigte gegenüber den PNN an, für seine Gemeinde den Antrag
zurückzuziehen. Peter Könnicke