PNN 16.2.11
Von Johann Legner und Hagen Ludwig
Potsdam/Teltow - Brandenburgs Landesregierung bleibt bei der
wirtschaftspolitischen Aufteilung des Landes. Es wird keine neuen
sogenannten Regionalen Wachstumskerne (RWK) geben. Die von der Landesregierung
eingerichteten 15 Wachstumskerne sind aus Sicht des Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck (SPD) ausreichend und sinnvoll. Dies habe eine Bewertung der
Entwicklung in den letzten vier Jahren ergeben, sagte Platzeck am Dienstag nach
einer Kabinettssitzung. Neue RWK werde es aber zumindest bis 2014 nicht geben.
Insbesondere eine Initiative um das Autobahndreieck Wittstock in der Prignitz,
aber auch die beiden berlinnahen Gebiete rund um Teltow und Strausberg hatten
2005 mit Protesten darauf reagiert, dass sie nicht auf der Liste jener 15
Standorte waren, die die Landesregierung besonders fördert und mit einer
interministeriellen Arbeitsgruppe unterstützt.
Für die Region Teltow ist die Entscheidung ein herber Schlag. Im März des
vergangenen Jahres hatten die Stadtverordneten und Gemeindevertreter aus
Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf auf ihrer ersten gemeinsamen Sitzung
einstimmig die Bewerbung für den Status als Regionaler Wachstumskern
beschlossen. Unterstützung kam vom mittelmärkischen Landrat Wolfgang Blasig
(SPD). Die Region Teltow trage einen wesentlichen Anteil am Erfolg des
Landkreises. Damit das so bleibe, müsse die Region gefördert werden, betonte
er.
Erst nach 2014 – also nach der nächsten Landtagswahl – werde darüber
entschieden, ob die Auswahl der 15 Kerne richtig war, so Platzeck. Wesentlich
für die Entwicklung der letzten Jahre sei eine neue Art des Denkens gewesen.
Während sich früher Teilregionen des Landes bei der Auseinandersetzung um
Fördermittel vor allem darum bemühten, auf ihre besonderen Schwächen
hinzuweisen, legten sie jetzt ihre Vorzüge und Stärken auf den Tisch. Es habe
sich ein neues „Selbstbewusstsein“ entwickelt, das seinerseits wiederum zu
einem wirtschaftlichen Faktor geworden sei.
Die Auswertung der Tätigkeit der 15 RWK und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung
hat allerdings auch offenbart, dass sie wenig dazu beitragen, das weitere
Auseinanderdriften des Landes zu verhindern. Besonders gut schneiden nach
Beurteilung der damit beauftragten Wissenschaftler vor allem die RWK ab, die in
großer Nähe zu Berlin liegen – allen voran Schönefeld und Oranienburg. Weit
zurück liegen dagegen vor allem die Standorte in größter Distanz zur
Bundeshauptstadt – die Westlausitz, Spremberg, Schwedt und die Prignitz. Der
hochumstrittene Wachstumskern um Wittenberge und Perleberg in
der Westprignitz war überhaupt nur aus politischen Gründen als
Wachstumskern definiert worden – er liegt im Wahlkreis der damaligen
brandenburgischen Arbeitsministerin Dagmar Ziegler (SPD).
Die Auswertung habe nur bei den in Berlinnähe angesiedelten RWK klar erkennbare
Effekte bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Stabilisierung der
Bevölkerungszahl vermerkt. Platzeck sagte, er sehe aber auch bei den an der
Peripherie gelegenen Standorten eine „durchaus ordentliche Performance“. Man
müsse umgekehrt fragen, was passiert wäre, wenn sie nicht in dem Maße unterstützt
worden wären. Platzeck verwies auch darauf, dass 2005 ganz bewusst versucht
worden sei, alle Landesteile zu berücksichtigen.
Die Landesregierung versucht, über ihre Investitionsförderung, aber auch durch
sonstige, nicht an Geldflüsse gebundene Hilfestellungen sich auf die 15 RWK zu
konzentrieren. In ihnen lebt ein Drittel der Brandenburger und ist die Hälfte
der Arbeitsplätze angesiedelt. Die Bevorzugung dieser Gemeinden führt
inzwischen dazu, dass fast zwei Drittel der Investitionen des Landes in die RWK
fliesen. Einige der Gemeindezusammenschlüsse, die jetzt nicht den RWK-Status
genießen, sich aber darum bemüht hatten, werden nach Aussage des Chefs der
Staatskanzlei Albrecht Gerber (SPD) in den nächsten Jahren eine Art
„Hospitantenstatus“ genießen können. Sie sollen an regelmäßigen Konsultationen
teilnehmen. Eine den RWK vergleichbare bevorzugte Förderung sei damit
allerdings nicht verbunden.
Die Opposition kritisierte am Dienstag das Vorgehen der Landesregierung. Das
Parlament sei genau so wenig an der Diskussion beteiligt gewesen, wie die
betroffenen Kommunen, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Dierk
Homeyer. Es habe keine faire Neubewertung der Standorte gegeben.
Deutliche Kritik an der Entscheidung der Landesregierung übte gestern auch der
aus Kleinmachnow stammende CDU-Landtagsabgeordnete Ludwig Burkardt. „Eine
ehrliche Evaluation hätte auch bei Beibehaltung der Zahl von 15 Regionalen
Wachstumskernen zu einem Austausch führen müssen, bei dem zwangsläufig die
Region Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf zum Zuge gekommen wäre“, so Burkardt. Der
Hinweis der Staatskanzlei auf die seit dem Jahr 2000 rückläufige
Arbeitsplatzdichte in der Region ignoriere, dass sie immer noch höher sei als
in den anderen Regionalen Wachstumskernen. Zudem nehme die Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Region seit 2006 wieder zu.
Burkardt empfahl den Bürgermeistern der drei Gemeinden eine kritische Analyse
und Bewertung der Evaluation durch die Staatskanzlei, die am besten von einem
unbefangenen, neutralen Institut vorgenommen werden sollte.