PNN 15.2.11

 

Zurück auf Anfang: Neue Vorschläge für die alte Debatte

Brandenburg begrüßt Abkehr von umstrittenen Ideen / Bürgerinitiativen sehen Erfolg des Protests (15.02.11)

Von Thorsten Metzner
Potsdam - Plötzlich ist möglich, was angeblich nicht möglich war: Das von der Deutschen Flugsicherung (DFS) jetzt erstmals offiziell präsentierte mögliche neue Flugrouten-Modell für den BBI in Schönefeld, das den Süden Berlins und Gemeinden wie Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf von Überflügen verschonen würde, wird in Brandenburg und Berlin überwiegend positiv aufgenommen. Allerdings herrscht in der Politik allgemeines Unverständnis, warum die Flugsicherung nicht von vornherein intelligentere Korridore geplant hat – und damit erst für Aufruhr in der Bevölkerung in der Hauptstadtregion sorgte. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hält sich zwar mit öffentlichen Kommentaren zu dieser Wendung zurück, auch aus Rücksicht auf die schwierigere Situation in Brandenburg, wo Lärm-Belastungen im Umfeld des Hauptstadtflughafens objektiv bleiben. Doch erklärte Senatssprecher Richard Meng den PNN am Dienstag. „Es ist eine gute Nachricht für Berlin, dass die alten Flugrouten vom Tisch sind.“ Die Entwicklung gehe aus Sicht des Senates „in die richtige Richtung“. So sieht es auch Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), der die „Fortschritte“ begrüßte und mit Blick auf die Deutsche Flugsicherung sagte: „Man hätte sich viel Ärger ersparen können.“ Dennoch sei „man ein gutes Stück vorangekommen“. Platzeck wies darauf hin, dass es selbst bei einer Entwarnung für bestimmte Orte weiterhin zu Belastungen kommen wird, „die nicht wegzureden sind.“ Ziel müsse es weiter sein, die Belastungen zu verringern, die Zahl der Betroffenen zu verkleinern. Von einem „Fortschritt“ sprach auch Linke-Landeschef Thomas Nord, Linke-Frakionschefin Kerstin Kaiser von einem „wichtigen Signal für die Region“. Dagegen kritisierte CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), der Kanzlerin Angela Merkel wegen deren jüngster Kritik an der Routenpolitik der bundeseigenen Flugsicherung und der rot-roten Regierungen beider Länder öffentlich Populismus vorgeworfen hatte. „Die Aussagen der Bundeskanzlerin sind kein Populismus, sondern klare Positionen, die Ministerpräsident Platzeck seit mehr als fünf Monaten vermissen lässt“, sagte Ludwig dazu. Für die Union sei seit Oktober 2010 Beschlusslage, dass die BBI-Flugrouten nur auf Basis der ursprünglichen Planungen festgelegt werden können. „Platzeck bleibe bisher Antworten schuldig, ob der BBI ein internationales Drehkreuz werden solle. Dies sei keine verlässliche Politik.“ Dagegen nannte es SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher „dreist“, wie die Kanzlerin sich feiert, obwohl die alten Routen Bundes-Entscheidungen waren. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner freut sich, „dass wir einer Lösung näher kommen, die Druck aus der Region nimmt“. Es seien „vernünftige Vorschläge“. Auch die Grünen begrüßten die neue Entwicklung. „Wir haben immer gefordert, dass man Rücksicht auf dicht besiedelte Gebiete nimmt“, sagte Verkehrsexperte Michael Jungklaus.
Wie berichtet, hat die DFS jetzt erstmals alternative Routen vorgelegt, nach denen durch Geradeaus-Starts auf der nördlichen BBI-Landebahn nach Westen und nach Osten der Süden Berlins und dicht besiedelte Ortschaften wie Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf von Überflügen verschont würden. Bei der südlichen Landebahn können danach Abflüge in Richtung Westen in einem 15-Grad-Winkel erfolgen – nach Osten wird ernsthaft ein scharfes Abknicken im 90-Grad-Winkel sofort nach dem Start in Richtung Süden geprüft. Sollte dies aus Sicherheitsgründen nicht möglich sein, prüft die DFS auch die Variante des „Münchener Modells“, also bei Ostabflügen sowohl von der Nord- als auch von der Südbahn die Maschinen eine Weile gerade aus fliegen zu lassen, zwischen dem südlichen Ostberlin und Königs Wusterhausen und Zeuthen, wofür aber eine Sondergenehmigung nötig wäre.
„Das alles geht in die richtige Richtung“, sagte Marela Bone-Winkel von der Bürgerinitiative „Kein Fluglärm über Berlin“, die 50 000 Betroffene vertritt. Dennoch blieben „Fragezeichen“. Problematisch nannte Bone-Winkel Überflüge zwischen Potsdam und Wannsee, zumal es künftig interkontinentale Routen wären. „Es wären die voll aufgetankten dicken Brummer nach Singapur und Peking.“
Der Ball liegt nun in der Fluglärmkommission, in der Brandenburger Gemeinden, Berlin, aber auch Airlines vertreten sind. Die DFS, die am 14. März ihren neuen Gesamtroutenvorschlag vorlegen will, drängt auf ein zügiges Votum. In einer am Dienstag im Internet veröffentlichten ausführlichen DFS-Präsentation, die die neuen Routenvarianten samt Lärmbetroffenheiten enthält, heißt es: „Die Fluglärmkommission wird gebeten, sich intern abzustimmen und der DFS zeitnah eine abgestimmte Meinung zu den Abflugvarianten zukommen zu lassen.“ Da die Interessenlagen in der Kommission sehr konträr sind, ist Zündstoff programmiert.
Und in Berlin bleiben bis zur endgültigen Klärung die BBI-Routen ohnehin ein Dauerbrenner im Wahlkampf, für Wowereits Herausforderer. CDU–Landes- und Fraktionschef Frank Henkel begrüßte nach der „monatelangen Verunsicherung“ die sich abzeichnende Lösung: „Es sieht so aus, als ob die engagierten Bürgerproteste nicht umsonst waren.“ Es sei offenbar „hilfreich“ gewesen, „dass die Bundeskanzlerin und der Bundesverkehrsminister klar Position bezogen haben.“ Die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sieht das Einlenken der DFS als Erfolgt der Proteste, wie sie den PNN sagte: „Seitdem die Bürgerinnen und Bürger sich eingemischt haben, kommt Bewegung in die Suche nach einer verträglichen Lösung. Das ist gut so.“ Künast forderte den Senat auf, „jetzt alle Lösungsvorschläge transparent machen“. Wowereits Senat habe „die Pflicht, sich dann der Diskussion mit den Betroffenen zu stellen“. Es gibt aber auch andere Stimmen. So warnte der Bürgerverein Berlin Brandenburg (BVBB), der den BBI generell in Frage stellt, vor Euphorie. Die Flugrouten wurden ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme festgelegt, alles was bis dahin verkündet werde, sei „Geschwafel“, „blanke Theorie“ und „Wichtigtuerei“ sagte Sprecher Kristian-Peter Stange: „Es wird Fluglärm über Berlin geben.“
Die neuen DFS-Routen findet man auf der Homepage der Fluglärmkommission.
www.mil.brandenburg.de