PNN 15.2.11
Von Thorsten Metzner
Schönefeld - Im Streit um die BBI-Flugrouten hält es jetzt
nach PNN-Informationen die bundeseigene Deutsche Flugsicherung (DFS) doch für
möglich, keine Korridore über Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow sowie
Südberliner Stadtteile wie Lichtenrade und Zehlendorf zu führen. Über die Stadt
Potsdam würde es dennoch im Norden an der Grenze zu Wannsee bei Überflügen auf
dem heutigen Niveau bleiben. Auch Werder und die Havel-Gemeinden müssen
weiterhin mit Überflügen rechnen, wenn auch in größerer Höhe. Das alles ergibt
sich nach PNN-Informationen aus brandneuen Fluglärm-Berechnungen für den
Schönefelder Hauptstadt-Airport, die die DFS am Montag in der
Fluglärm-Kommission vorstellte. Im Osten des BBI könnte das bedrohte Zeuthen
verschont werden, in dem bei Abflug von der Südbahn gestartete Jets sofort in
einem 90-Grad-Winkel in einer „Superkurve“ scharf nach Süden drehen.
Wie es aus informierten Kreisen hieß, läuft es „mit größter Wahrscheinlichkeit“
auf so ein differenziertes Routenmodell hinaus, das Orte wie
Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow komplett verschonen und die Zahl der
Betroffenen in Brandenburg und Berlin mindestens um ein Drittel verringern
würde. So könnte auch Ludwigsfelde, derzeit eine von Überflügen am meisten
betroffene Stadt, mit einer deutlichen Entlastung rechnen.
Die von den Detail-Berechnungen überrumpelte Fluglärmkommission aus Vertretern
betroffener Kommunen, die Empfehlungen geben kann, fasste am Montag dazu keine
Beschlüsse. Die Deutsche Flugsicherung will bis März einen neuen
Gesamtroutenvorschlag vorlegen, wie Berlins DFS-Chef Hans Niebergall sagte. Für
die mit Spannung erwartete Sitzung hatte die DFS erstmals Belastungen für
insgesamt sechs Routenvarianten berechnet, nämlich sowohl für die Nord- und
Südlandebahn jeweils eine Geradeaus-Abflugroute, ein Abknicken um 7,5 Grad und
um 15 Grad. Der ursprüngliche DFS-Routenvorschlag vom September 2010, der
allein ein mit Parallelstarts begründetes massives Abknicken vorsah, hatte
direkt über dicht besiedelte, zum Teil vorher nicht betroffene Ortschaften
geführt und in der Region Massenproteste ausgelöst. Der Plan ist nach
PNN-Informationen vom Tisch.
Wie sich nun herausstellt, sind flexiblere Modelle möglich, die Routen über
kaum bewohnte Gegenden zwischen großen Orten zu führen. So hält es die DFS laut
Niebergall für eine Möglichkeit, bei West-Abflügen von der BBI-Nordbahn die
Flugzeuge nach dem Start gerade weiter fliegen zu lassen, also südlich von
Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf. Bei der Südbahn könnten West-Abflüge dafür
im 15-Grad-Winkel abdrehen, sodass selbst Teile der am meisten betroffenen Orte
Blankenfelde und Mahlow geschont würden. Für Mahlow ist eine Route möglich, die
zumindest die neuen Einfamilienhaus-Siedlungen im Norden – dort sind auch
Schulen und Kitas – umgeht.
Auch für BBI-Abflüge in Richtung Osten sind jetzt Routen möglich, die
Belastungen massiv einschränken. Für die Nord-Bahn wäre es eine gerade Route,
die in einen Korridor zwischen Erkner und Schulzendorf führen könnte. Für die
Südbahn wäre es das scharfe Abknicken nach Süden sofort nach dem Start, noch
innerhalb des Berliner Ringes und westlich der Stadt Königs Wusterhausen.
Vor diesem Hintergrund sorgen Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf
dem Berliner CDU-Parteitag vom Wochenende für Irritationen. Merkel hatte dort
neben der DFS auch die rot-roten Regierungen Brandenburgs und Berlins
kritisiert „und vernünftige Lösungen, auf der Basis dessen, was versprochen
wurde“, verlangt. „So sieht Populismus aus“, sagte dazu Brandenburgs
Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) den PNN. Die DFS, die letzten September
einen unabgestimmten Vorschlag mit dem Gegenteil präsentiert habe, „untersteht
der Bundesregierung“. Die „Attacken“ gegen die Landesregierungen seien
„unverständlich“, allenfalls mit Wahlkampfhilfe für die Berliner CDU erklärbar.
Auch für Berlin sind die Merkel-Aussagen kein Machtwort, „keine neue Qualität“,
wie Senatssprecher Richard Meng sagte. Es bestehe Einigkeit zwischen
den Beteiligten, dass es eine Lösung „auf Basis“ der Routen des
Planfeststellungsbeschlusses geben muss.