PNN 14.2.11
Von Klaus Kurpjuweit
Schönefeld - Anwohner wollen gar keinen Fluglärm – zumindest nicht in
der Nacht. Fluggesellschaften dagegen wollen fliegen – auch nachts. Deshalb
klagt Air Berlin jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht, um mehr Flüge in der
Nacht durchzusetzen, und Anwohner haben ebenfalls Klagen eingereicht, um den
nächtlichen Betrieb zu verhindern.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte 2006 Klagen gegen den Ausbau
Schönefelds zurückgewiesen, gleichzeitig aber Auflagen für den Nachtbetrieb
erlassen. Den beantragten 24-Stunden-Verkehr ließen die Richter nicht zu.
Zwischen 0 Uhr und 5 Uhr müsse es generell Ruhe am Himmel geben, entschieden
sie seinerzeit. Zulässig sind in dieser Zeit aber zum Beispiel Post- und auch
Regierungsflüge. Für die so genannten Randzeiten zwischen 22 Uhr und 0 Uhr
sowie 5 Uhr und 6 Uhr müsse nachgewiesen werden, „weshalb ein bestimmter
Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb
der Tagesstunden abgewickelt werden kann“, schrieben die Richter vor.
Das Potsdamer Infrastrukturministerium musste deshalb den
Planfeststellungsbeschluss ergänzen und legte im Oktober 2009 die Vorgaben für
den Nachtflugverkehr fest. Demnach sind jeweils eine halbe Stunde vor und nach
der generellen Nachtruhezeit nur verfrühte oder verspätete Flüge erlaubt. Ein
Kontingent begrenzt demnach zudem die Zahl der maximal zulässigen Flüge
zwischen 23 und 24 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr. Darüber hinaus darf generell
zwischen 22 und 6 Uhr nur mit leiseren Flugzeugen geflogen werden, was aber im
Alltag fast bei allen Gesellschaften Standard ist.
Heute starten oder landen in der gesamten Nacht in Tegel und Schönefeld etwa 45
Maschinen. Nach den Prognosen des Infrastrukturministeriums sollen es im Jahr
2023 durchschnittlich 77 sein.
Was den Anwohnern zu viel ist, ist Air Berlin zu wenig, das den neuen Flughafen
in Schönefeld zu einem internen Drehkreuz machen will. Deshalb habe man die
Klage eingereicht, sagte Sprecher Uwe Berlinghoff, ohne weitere Einzelheiten zu
nennen. Er rechnet damit, dass das Bundesverwaltungsgericht Ende des Jahres die
Pro- und Contra-Nachtflugklagen entscheiden wird.
Wer den Krach abbekommen wird, steht noch nicht fest, weil die Flugrouten noch
nicht festgelegt sind. Am Montag beschäftigt sich damit wieder die
Fluglärmkommission, der erneut mehrere Vorschläge dazu gemacht worden sind.
Dass die von der Flugsicherung im vergangenen September präsentierten
Vorschläge verwirklicht werden, gilt inzwischen als unwahrscheinlich. Sie sahen
auch ein Überfliegen von Lichtenrade, Kleinmachnow und Stahnsdorf sowie
Steglitz-Zehlendorf im Westen und über dem Zentrum von Zeuthen im Osten vor,
was im gerichtlich bestätigten Planfeststellungsbeschluss nicht zu erkennen
war. Auch deshalb laufen Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Beim
Infrastrukturministerium sind über 700 Anträge eingereicht worden, die das Ziel
haben, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben. Die Flughafengesellschaft
will unabhängig davon nach wie vor den Betrieb am 3. Juni 2012 aufnehmen – auch
mit Flügen in den nächtlichen Randzeiten.