PNN 10.2.11
Von Tobias Reichelt
Teltow - Eine Grabrede in Sachen Fluglärm zu halten, darauf war
Brandenburgs Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider (SPD) nicht
vorbereitet. Als er gestern Vormittag im Teltower Rathaus zur Übertragung der
Radiosendung „Länderzeit“ des Deutschlandfunks eintraf, waren Sargträger, Sarg
und Pastorin schon da. Symbolisch trugen Fluglärmaktivisten das „Vertrauen“ in
die Politik zu Grabe. Es dauerte zwei Stunden – die Mikrofone waren aus – bis
Bretschneider Worte zur Inszenierung fand: „Die alten Flugroutenentwürfe sind
tot“, rief er den Sargträgern entgegen. Der Flughafen erscheint derweil
lebendiger als je zuvor.
Teltow wurde neben vielen anderen Kommunen im Herbst von den Flugrouten für den
BBI überrascht. Wie berichtet, könnten die aktuell geplanten abknickende
Flugrouten starke Lärmbelastungen für die dicht besiedelte Südwestflanke
Berlins bringen – in der dem BBI-Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten
Grobplanung war davon nicht die Rede. Statt an Teltow vorbei, sollen die Jets
über den Ort düsen. Die Routen für den Hauptstadtflughafen sollen aber nochmal
überarbeitet werden, sagte Bretschneider in Teltow. Doch auch dann seien sie
nicht endgültig.
Die Zahlen der Flugpassagiere wachsen schneller als erwartet, erklärte
Bretschneider. Schon heute fliegen von Berlin aus so viele Menschen, wie erst
2013 erwartet. Mit dem Wachstum kündigen sich neue Probleme an: Jederzeit
könnten die Routen bei Bedarf geändert werden. Die Forderung der Fluglärmgegner
ist deshalb, das Wachstum zu bremsen.
„Es kann an diesem Standort kein internationales Drehkreuz geben, das ist die
Konsequenz“, sagte der Stahnsdorfer Fluglärmaktivist Hans-Joachim Pfaff im
Dialog mit dem Staatssekretär. Der wehrte ab: „Schönefeld wird kein
internationales, sondern ein europäisches Drehkreuz sein.“ Aber auch dann wird
der Flughafen wachsen. 360 000 Flugbewegungen im Jahr werde es geben – etwa
1000 Flugzeuge pro Tag, so stehe es im Planfeststellungsbeschluss zum
Flughafenbau. „Da kann keiner sagen, er hätte nicht gewusst, welche Dimension
der Flugverkehr in der Region haben wird“, sagte Bretschneider und schob
hinterher: „Wir sind für die Bürger da.“
Auch Flughafensprecher Ralf Kunkel beschwichtigte: Er sieht in Schönefeld „kein
riesiges internationales Drehkreuz“ – lediglich in Spitzenzeiten hätte das
Flughafenwachstum Auswirkungen auf die Flugrouten. Die müssten möglicherweise
über Teltow, den südlichen Berliner Raum und Potsdam führen, wenn viele
Maschinen gleichzeitig abheben wollen – „zum Beispiel morgens zwischen 8 und 9
Uhr sowie Abends und mittelfristig auch mittags“, sagte Kunkel. Im Publikum
erntete er wütende Zwischenrufe. Die wurden lauter, als Kunkel auch eine
Ausweitung des Nachtflugverbots ablehnte: „Dann werden Berlin und Brandenburg
dauerhaft zur Flughafenprovinz.“
Auch Christian Wiesenhütter, stellvertretende Geschäftsführer der Berliner
Industrie- und Handelskammer, wollte das Wachstum nicht begrenzen. „Wir wollen
Maß halten mit Frankfurt und München. Das wird in einigen Jahren sicher
gelingen.“ Der Flughafen spiele eine wesentliche wirtschaftliche Rolle. „Wir
brauchen die Verbindung in alle Welt.“
Wütend reagierte der Fluglärmaktivist Thomas Czogalla: „Ich bin völlig empört“,
er hat sich in Teltow den Traum vom ruhigen Haus im Grünen erfüllt, jetzt wolle
er nicht mit Fluglärm leben. Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) mahnte
den Vertrauensverlust der Anwohner in die Politik an: „Die Bürger haben einen
Schutzanspruch, der ist zu keinem Zeitpunkt erfüllt worden.“ Sein
Kleinmachnower Amtskollege Michael Grubert (SPD) pflichtete ihm bei: Kleinmachnow
hat Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenbau eingereicht.
„Wir sind guten Mutes“, so Grubert.
So wie die Fluglärmgegner das „Vertrauen“ zu Grabe trugen, so sicher war sich
Flughafensprecher Kunkel, dass das auch für die Klage gelten werde: „Juristisch
werden sie da nicht die geringste Möglichkeit haben“, sagte er.