PNN 24.1.11
Von Ariane Lemme
Berlin-Schönefeld - „Wenn wir nicht glauben würden, dass wir etwas
verändern können, wären wir nicht hier“, sagt Petra Feld und streift sich die
grelle Warnweste über. Sie ist eine von 30 Freiwilligen, die auf der Großdemo
am künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg International an diesem Sonntag für
die Sicherheit sorgen wollen. Mehr als zehntausend Leute sind hier hergekommen,
um gegen die geplanten Flugrouten zu demonstrieren. Viele davon sind aus der
Region Teltow angereist. Die Bürgerinitiative Kleinmachnow hat fünf Busse
organisiert, mit denen die Protestler gegen Mittag angerückt sind – unter
ihnen Petra Feld.
Im Moment sehe es nicht gut aus, schätzt die Kleinmachnowerin Feld, denn die
Flughafenbetreiber-Gesellschaft werde kaum von ihren Forderungen abrücken. „Auf
jeden Fall braucht es noch viel mehr Demonstrationen und politischen Druck“,
sagt sie. Vor allem ärgert sie sich über die geringe Kompromissbereitschaft der
Deutschen Flugsicherung. Kritik übt sie auch an Berlins Regierendem
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): „Wenn er als Anteilseigner der
Betreibergesellschaft sagt, dass Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit geht, dann
meint er die Wirtschaftlichkeit der Fluglinien – die nämlich ist ihm egal“, so
Feld. Anders würde er die Wirtschaftlichkeit des Flughafens werten.
Auf einer Bühne am Rand des Flughafengeländes macht Matthias Schubert, Chef der
Kleinmachnower Bürgerinitiative, die beiden Hauptforderungen der
Flugroutengegner deutlich: Ein striktes Nachtflugverbot und kein Überflug von
Wohngebieten, die nach dem Planfestestellungsbeschluss nicht damit rechnen
mussten. Dafür erntet er Beifall. Vor der Bühne geht man noch weiter: Das
Publikum ruft nach dem Flughafen-Baustopp. Über der Menge prangt ein ganzer
Schilderwald: „Routentäuschung“, „Lügner-Air“ und „Es reicht!“ steht auf selbst
gemalten Bannern. Einer der Redner ruft die Menge auf, die Schilder kurz
herunter zu nehmen, „damit man auch die Menschen mal sieht“. Danach ergreift
Sabine Bergmann-Pohl, Präsidentin des Berliner Roten Kreuzes, das Wort. Sie
fordert mehr Verlässlichkeit von Seiten der Politiker. Von denen habe in den
vergangenen Wochen so mancher gehofft, dass die Bürger sich mit
„vielleicht/vielleicht-auch nicht“-Ankündigungen beschwichtigen ließen, setzt
Markus Peichl von der „Initiative Weltkulturerbe Potsdam“ hinzu. „Diese
Hoffnung aber hat sich nicht erfüllt“, sagt er.
Gerade kinderreiche Gemeinden wie Kleinmachnow haben eine sehr aktive
Protestbewegung – und das zeigen sie hier. Viele von ihnen haben sich erst in
den letzten zehn Jahren ein Haus am Rande Berlins gekauft und sehen sich jetzt
vor vollendete Tatsachen gestellt. „Von der Politik verarscht“ – das ist einer
der häufigsten Sprüche an diesem Sonntag.
Im kinderreichen Kleinmachnow fürchten viele vor allem um die Gesundheit ihrer
Jüngsten. Olaf Sinningen hat seine gleich mitgebracht: Er will, dass sie früh
lernen, sich zu engagieren, sagt er. „Auch, wenn ihnen das bei dem kalten
Wetter vielleicht nicht so viel Spaß machen wird.“ Michael Merzhäuser, ein
weiterer Demonstrant aus Kleinmachnow, hatte jedoch Angst, seinen Nachwuchs
mitzunehmen: „Aus Stuttgart hat man schließlich Bilder mitbekommen, die
das Vertrauen in die Polizei bei solchen Einsätzen erschüttert haben“,
erläutert er.
Auf der Bühne geben sich die Referenten das Mikro in die Hand. Das Thema
Flugrouten werde in Berlin, Brandenburg und Potsdam auch zum Wahlkampf-Thema,
sagt Simon Lietzmann aus Lichtenrade. Die Gräben würden dabei aber nicht
zwischen den Bürgerinitiativen verlaufen: „Die Politik wird uns nicht
auseinanderbringen“, sagt Lietzmann kämpferisch. Er und Marela Bone-Winkel von
der Initiative „Keine Flugrouten über Berlin“ prangern die Verletzung
rechtstaatlicher Prinzipien an. Es kommen noch Einige zu Wort an diesem
Nachmittag, und mit jeder Rede wird der Protest lauter. Das Publikum jubelt,
pfeift – und in einer Ecke singt ein Musiker den „Flugrouten-Blues“. Immerhin:
Die Kleinmachnower fahren am Ende bestärkt nach Hause.