PNN 22.1.11
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - Gerhard Casperson kann es nicht fassen. „Das ist
ja nicht möglich“, sagt der Ausbaugegner der ersten Stunde. Das Land
Brandenburg hat Klage gegen den Stopp des Schleusenausbaus in Kleinmachnow
eingelegt. „Das ist ein Schlag ins Kontor“, murmelt der Kleinmachnower Rentner.
Geht jetzt der Kampf gegen den Ausbau weiter?, fragt sich Casperson. Noch vor
zwei Monaten hatte man ihn jubelnd erlebt, als Bundesverkehrsminister Peter
Ramsauer (CSU) den Schleusenausbau stoppte. Jetzt ringt Casperson nach Worten.
Das Land klagt gegen den Bund. Am Donnerstag hat das Brandenburgische
Verkehrsministerium beim Potsdamer Verwaltungsgericht Klage gegen den
Ausbaustopp der Kleinmachnower Schleuse eingelegt. Gerade rechtzeitig – gestern
lief die Klagefrist ab. Der Bund hatte den Planfestellungsbeschluss im Dezember
aufgehoben. „Auch wenn die Erfolgsaussichten ungewiss sind, gibt die Klage doch
dem Bund die Möglichkeit, seine Entscheidung zu überdenken“, teilte
Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) gestern mit. „Ich
appelliere an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, an den Verhandlungstisch
zurückzukehren und auch unseren alten Kompromiss für den Bau einer 115 Meter
langen Schleusenkammer wieder in Erwägung zu ziehen“, so Vogelsänger.
Ursprünglich war der Ausbau der Schleuse auf 190 Meter geplant. Für das
40-Millionen-Euro-Projekt gab es bereits Baurecht. Jahrelang hatten Politiker
und Umweltschützer dagegen protestiert. Sie hatten den 115-Meter-Ausbau als
ökologisch vertretbare Variante ins Gespräch gebracht. Der Bund wollte am Ende
weder das Eine noch das Andere: Jetzt soll es bei einer Sanierung bleiben, die
Schleusenkammer bliebe etwa 90 Meter lang.
Zu wenig aus Sicht des Brandenburgischen Verkehrsministers. Nur mit einem
Ausbau auf 115 oder 190 Meter wäre etwas für die Wasserstraße Teltowkanal
gewonnen, sagte er. Der Ausbau sei umweltpolitisch sinnvoll. „Ein Binnenschiff
ersetzt hunderte Lkw.“
Beim Bauindustrieverband hat man schon auf die Klage gewartet: „Ich begrüße das
ausdrücklich“, sagte Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, den
PNN. Gemeinsam mit anderen Vertretern der Bauwirtschaft und einigen
Gewerkschaften hatte Wunschel ein „Aktionsbündnis gegen den Ausbaustopp“ ins
Leben gerufen. Da man nicht direkt betroffen ist, konnte sein Verband nicht
selbst klagen, so Wunschel. „Mit der Klage des Landes bietet sich die
Möglichkeit, zur Vernunft zurückzukehren.“ Eine Instandsetzung der Schleuse sei
„ökologischer und ökonomischer Unsinn“: Bei der Sanierung werde kein Cent
gespart, die Umwelt durch mehr Straßenverkehr geschädigt und die
Industrieentwicklung gefährdet.
Argumente, die die Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm nicht
nachvollziehen kann. „Der Ausbau der Schleusenkammer ist so überflüssig wie ein
Kropf.“ Auch Verkehrsminister Vogelsänger wisse das, sagt Behm. „Aber
Steuermittel für überdimensionierte Infrastrukturprojekte zu verschwenden,
gehört nun mal zu den Lieblingsaufgaben des Ministers.“ Die Klage sei ein
„politisches Schaufenstergeschäft“.
Vogelsänger wolle sich bei der Bauindustrie beliebt machen. Der Teltowkanal sei
gar nicht für große Schiffe zugelassen, die bei einem Ausbau geschleust werden
könnten. Dass das Land Geld in eine „so unsichere Klage“ stecke, sei für sie
nicht nachvollziehbar.
Kritik kommt auch vom Flussexperten des Bund für Umwelt und Naturschutz,
Winfried Lücking: „Das ist eine Bankrotterklärung“, sagte er den PNN. Fraglich
ist für ihn, wie das Land die Klage begründen will. Bislang fehlt die
Klagebegründung im Potsdamer Verwaltungsgericht noch. Die Zeit läuft, auch für
die Kleinmachnower Ausbaugegner: „Wir werden reagieren, wir müssen wieder
demonstrieren“, sagt Gerhard Casperson.