PNN 19.1.11

 

Von Klaus Kurpjuweit

Ein Fächer aus Kondensstreifen

Auch bei geänderten Routen bleibt ein Überfliegen von dicht bewohntem Gebiet möglich (19.01.11)

Berlin/Teltow - Jetzt wird gerechnet. Bis zur nächsten Sitzung der Fluglärmkommission am 14. Februar will die Deutsche Flugsicherung (DFS) bei verschiedenen möglichen Abflugvarianten am künftigen Flughafen in Schönefeld ermitteln, wie viele Lärmbetroffene es jeweils gibt. Dabei greift sie auf ein umstrittenes Verfahren zurück, das sie bereits für ihren ersten Routenvorschlag eingesetzt hat, der auch das Überfliegen dicht besiedelter Gebiete vorsah. Ein Überfliegen der Stadt ist grundsätzlich weiter möglich – so wie es bereits heute praktiziert wird.

Die DFS prüft die Routen, die den Piloten nach dem Start zwingend vorgegeben sind und bei denen der meiste Krach entsteht. In ihrem ersten Entwurf vom 6. September hatten die Planer diese Routen beim Abflug Richtung Westen von der Nordbahn dicht an Lichtenrade und über Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf gelegt. Insgesamt knickte die Route um fast 50 Grad ab. Vorgeschrieben sind bei parallelen Starts jedoch nur mindestens 15 Grad.

Jetzt soll untersucht werden, wie sich bei Westabflügen ein Abknicken von 7,5 Grad bei Parallelstarts oder von maximal 15 Grad beim Start der einen und einem Geradeausflug der zweiten Maschine auswirkt. Im Osten werden die Lärmwerte ebenfalls für ein Abknicken von jeweils 15 Grad bei jeder Bahn ermittelt. Zudem wird untersucht, ob die Maschinen beim Start von der Südbahn bereits vor Zeuthen scharf nach Süden abbiegen können, um die Gemeinde nicht überfliegen zu müssen. Im Westen würde der Startlärm bei einem Abknicken von höchstens 15 Grad von der Stadt in Richtung Süden verlagert, im Osten würde die 15-Grad-Route der Nordbahn dagegen noch weiter über das Stadtgebiet führen (siehe Grafik oben).

Die Piloten müssen sich allerdings nur bis zu einer Höhe von 5000 Fuß (rund 1500 Meter) an diese Vorgabe halten. Danach können die Lotsen die Piloten auf einen anderen Kurs einweisen. Um möglichst viele Maschinen gleichzeitig fliegen lassen zu können, fächern sich die Routen zu einem breiten Korridor auf.

Maschinen, deren Ziel im Norden oder Osten liegt, biegen heute beim Geradeausstart wenige Kilometer nach dem Überfliegen von Blankenfelde-Mahlow von der Startroute ab und überqueren den Bereich um Teltow und anschließend Zehlendorf und Lichterfelde oder Tempelhof und Neukölln (siehe untere Grafik der exakten Flugverläufe). Die Flugzeuge haben dann in der Regel eine Höhe von etwa 10 000 Fuß (3000 Meter) erreicht, wo sie zwar bei gutem Wetter noch zu sehen und zu hören sind, aber nicht mehr als lärmbelastend eingestuft werden.

Dieses schnelle Auffächern nach der Startphase will die Flugsicherung bisher bei jeder Route praktizieren. Der Flugverkehr müsse nicht nur sicher und geordnet, sondern auch flüssig abgewickelt werden, heißt es bei der DFS. Und flüssig bedeutet in diesem Fall, dass die Strecken möglichst kurz sind und deshalb auch über die Stadt führen – heute und wahrscheinlich auch in Zukunft. Politiker haben dagegen gefordert, dass der Lärmschutz Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen haben müsse. Sicherheitsbedenken beim Überfliegen auch dicht bewohnter Gebiete gibt es weder bei der Flugsicherung noch beim Bundesverkehrsministerium.

Von der Flugsicherung war am Dienstag nicht zu erfahren, welche Bereiche in die Lärmberechnung bei den verschiedenen Routen einfließen werden – nur die Startphase oder auch das Auffächern. Den ersten Vorschlag mit der Westroute dicht an der Stadt hatte die DFS mit dem Ergebnis ihrer damaligen Lärmberechnung begründet. Das Niros genannte Verfahren sei anerkannt und führe zur Rechtssicherheit, hatte der Chef der Berliner Flugsicherung, Hans Niebergall, am Montag gesagt. Kritiker bezweifeln dagegen, ob bei dieser Methode tatsächlich ermittelt werden kann, mit welcher Intensität der Krach am Boden ankommt.

Für den Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB), der von Anfang an gegen den Standort Schönefeld angegangen ist, gibt es ohnehin nur eine Konsequenz. Da es bei dem stadtnahen Flughafen keine Route gebe, die die Region vor Fluglärm schütze, müssten die Ausbauarbeiten am Flughafen gestoppt werden.