PNN 13.1.11
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - „Fluglärm ist tödlich“, ruft der Berliner Arzt Detlef
Kaleth in den Kleinmachnower Rathaussaal. Ein Raunen bahnt sich durch das
lärmbedrohte Publikum. Frauen zucken zusammen, ein Rentnerehepaar greift sich
an den Händen. Das Dröhnen der Maschinen über den Dächern der Region werde
Kinder vom Lernen ablenken und Schlafende aus den Träumen reißen, warnt der
Schmerztherapeut und Orthopäde aus Zehlendorf. Der Blutdruck werde steigen,
ebenso das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall. Studien hätten das
bewiesen, sagt Kaleth und fragt: „Muss das sein? Müssen wir uns das gefallen
lassen? Geht das nicht anders?“
Die Gemeinde Kleinmachnow hat sich in den vergangenen Monaten zu einem der
wichtigsten Protestzentren gegen die Flugroutenplanungen um den Großflughafen
in Schönefeld entwickelt. Als erste Gemeinde hat Kleinmachnow Klage gegen das
Planfeststellungsverfahren zum Flughafenbau eingelegt, im ganzen Ort prangen
Protestplakate, Demos werden organisiert. Am Dienstagabend informierten die
Bürgerinitiative und Bürgermeister Michael Grubert (SPD) über den aktuellen
Stand im Flugroutenstreit: Kleinmachnow steht in der juristischen
Auseinandersetzung nicht mehr alleine da. Weitere Kommunen und Bürger wollen
oder haben juristische Mittel eingelegt, so Initiativensprecher Matthias
Schubert.
„Das Land soll sich warm anziehen, was die Klagen betrifft“, erklärte Schubert
den rund 250 Gästen. Neben den vier bekannten Klagen aus Kleinmachnow, lägen
jetzt auch Klagen von Betroffenen aus Stahnsdorf und Potsdam vor. Zudem gebe es
zwei Wiederaufnahmeklagen von Anwohnern aus dem Südosten Berlins. Auch
Zeuthener haben geklagt, und die Kommunen Blankenfelde-Mahlow, Großbeeren,
Schulzendorf und Eichwalde haben es vor. „Wir schätzen unsere Chancen als gut
ein“, sagte Schubert. Der Fluglärm, der Kleinmachnow bedrohe, sei erheblich.
Die Kommune und ihre Anwohner hätten im Planverfahren berücksichtigt werden
müssen. Aber weil die Region Teltow, ebenso wie der Süden Berlins und Potsdam
nicht überflogen werden sollten, ließ man sie außen vor. Nach der Klageflut
liege der Ball nun im Spielfeld des Gegners, sagte Schubert in Richtung
Brandenburgischer Landesregierung. Der jüngste SPD-Vorschlag, die
Fluglärmgeplagten mit einer ständigen Abgabe zu entschädigen, stieß auf
Ablehnung: „Eine Entschädigung ist absurd.“
Zu groß sei die erwartete Lärmbelastung, machte Gastredner Eric Kearney dem
Publikum klar. Der Professor aus Zehlendorf malte das Szenario der
Flugroutenentwürfe: Bei Westwind – an zwei von drei Tagen – wird Kleinmachnow
von startenden Jets überflogen, bei Ostwind – die übrige Zeit – von landenden
Jets.
„Ich habe einen echten Kloß im Hals, schnaufte Klaus Schulze im Publikum. „Wo
können wir uns beschweren?“, fragte er. Schon jetzt donnerten Maschinen im
Tiefflug über Kleinmachnow. In Zukunft werden es mehr, mahnte Michael Lippoldt:
„Wir werden Gefangene des Fluglärms.“ Er rief zur Großdemo am 23. Januar in
Schönefeld auf. Auch Mediziner Kaleth wird dort sein. „Der Fluglärm ist
überall“, sagte er – und die Kleinmachnowerin Martina Adam stimmte ihm aus dem
Publikum zu: „Der Lärm hat auch große Relevanz für die Entstehung von
psychischen Erkrankungen.“