PNN29.12.10
Von Klaus Kurpjuweit
Schönefeld/Kleinmachnow - Am neuen Flughafen in Schönefeld wird
weitergebaut – dieses Mal auch im Winter und ungeachtet der neuen Klagen gegen
den Planfeststellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die
Terminalbaustelle ist nach dem Einbau der letzten Scheiben winterdicht, so dass
die Arbeiten weitergehen, die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Selbst
bei einem Erfolg der Kläger wäre es ungewiss, ob es dann noch zu einem Baustopp
käme. Juristen schließen aber nicht aus, dass es weitere Auflagen für den
Betrieb des Flughafens geben könnte – bei den Flugrouten etwa oder beim
Nachtflugverbot.
Der Berliner Anwalt Philipp Heinz, der wie sein Kollege Christian von
Hammerstein die Kläger, darunter die Gemeinde Kleinmachnow, in dem Verfahren
vor dem Bundesverwaltungsgericht vertritt, hat Erfahrungen im planerischen
Umgang mit Großprojekten. Im nordrhein-westfälischen Datteln schaffte er es,
dass der Bebauungsplan für ein gewaltiges Steinkohlekraftwerk vom Gericht
aufgehoben worden ist – kurz vor Abschluss der Bauarbeiten des
Milliardenprojekts.
Heinz war es gelungen, den Planern gleich mehrere Verfahrensfehler
nachzuweisen. „Die Stadt Datteln ist ihrer planerischen Verantwortung in keiner
Weise ausreichend nachgekommen“, fasst Heinz den Richterspruch zusammen. Das
sei umso erschreckender, als es sich um ein gigantisches Vorhaben handele,
welches eine ganze Region über Jahrzehnte prägen werde. Ähnlich sieht es für
ihn bei der Flughafenplanung in Schönefeld aus. Auch ein Milliardenprojekt, bei
dem es nach Ansicht von Heinz Fehler im Genehmigungsverfahren gegeben hat. Der
Flughafenausbau in Schönefeld habe immer auf der Kippe gestanden, sagte Heinz
den PNN. Auch vor Gericht.
Ein Hauptargument für die Richter, die dem Ausbau nach einem langen Verfahren
im März 2006 unter Auflagen für den Nachtflugbetrieb zugestimmt haben, sei
gewesen, dass rund 200 000 Menschen in Berlin vom Fluglärm entlastet würden,
wenn Tempelhof und Tegel geschlossen sind. Dafür könnte man in Kauf nehmen,
dass in Schönefeld 59 000 Menschen den Krach am Himmel abbekommen, habe das
Gericht argumentiert. Bei dieser Berechnung habe man aber angenommen, dass die
Flugzeuge nach dem Start geradeaus fliegen. Weil sie jetzt abknicken sollen,
wären durch diese neuen Routen insgesamt rund 120 000 Menschen betroffen,
schätzt Heinz. Die exakte Zahl wollen die Kläger von Gutachtern ermitteln
lassen. Bei so vielen Neubetroffenen treffe die Abwägung von 2006 nicht mehr
zu, folgert Heinz. Rechtlich sei dies als Ermittlungsfehler zu werten.
Prognosen, die Basis einer Planfeststellung waren, könnten sich zwar als falsch
erweisen, ohne dass deshalb die Genehmigung zurückgenommen werden müsse –
anders sehe es aber aus, wenn unsauber gerechnet worden sei, sagt Heinz. Und
dies gelte für Schönefeld. Grundsätzlich ist an einem gültigen
Planfeststellungsbeschluss nur noch schwer zu rütteln. Die erste Hürde ist,
dass das Gericht die Klagen für zulässig erklärt, obwohl die Fristen längst
abgelaufen sind. Deshalb haben die Anwälte zunächst die „Wiedereinsetzung der
Kläger in den vorigen Stand“ beantragt, weil die jetzt Betroffenen im ersten
Verfahren nicht wissen konnten, dass auch sie betroffen sein könnten. Lässt das
Gericht die Klagen zu, kann das Verfahren lange dauern. Ob es dann noch einen
sofortigen Baustopp geben würde, müssten ebenfalls die Richter entscheiden.
Der Flughafen hält am derzeitigen Eröffnungstermin – 3. Juni 2012 – jedenfalls
fest. Auch die Kosten blieben im Rahmen, sagte gestern Flughafensprecher Ralf
Kunkel. Der Ausbau soll rund 2,5 Milliarden Euro kosten; bisher seien
Aufträge im Wert von etwa zwei Milliarden Euro vergeben worden. Dabei habe man
die Kalkulation einhalten können, sagte Kunkel.
Beim künftigen Regierungsbereich auf dem neuen Flughafen haben sich die Kosten
gegenüber der ursprünglichen Planung mit jetzt 310 Millionen Euro allerdings
fast verdoppelt.