PNN 27.12.2010
Von Klaus Kurpjuweit, Matthias Matern und Tobias Reichelt
Potsdam - Der Streit um die Flugrouten vom künftigen Hauptstadtflughafen in
Schönefeld hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Knapp fünf Jahre nach dem großen
Klageverfahren gegen den Ausbau des Flughafens muss sich das
Bundesverwaltungsgericht erneut mit dem Planungsverfahren beschäftigen. Die
Gemeinde Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark), die kommunale Wohnungsgesellschaft
und vier Privatpersonen haben Klage gegen die Flughafengenehmigung eingereicht.
Zudem bereitet eine Bürgerinitiative aus Rangsdorf (Teltow-Fläming) eine
Beschwerde bei der EU-Kommission vor.
Ziel der Klagen aus Kleinmachnow ist ein Baustopp. Einziges
Vermittlungsangebot: Nur wenn die Kommune nicht mehr überflogen wird, wolle man
die Klage zurückziehen, kündigte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert
(SPD) an. „Unser Ziel sind keine Flugrouten über Kleinmachnow und angrenzende
Regionen.“ Die Gemeinde ist die erste Kommune, die sich privaten Klägern
anschließt und die von der Deutschen Flugsicherung Anfang September vorgelegten
Flugrouten juristisch anfechtet.
Nach Ansicht der Kläger ist der Planfeststellungsbeschluss, den das
Bundesverwaltungsgericht 2006 unter Auflagen bestätigt hat, rechtswidrig
zustande gekommen, weil in den Unterlagen zum Antrag für die Flugzeuge nach dem
Starten nur ein Geradeausflug eingezeichnet war. Jetzt will die Flugsicherung
die Routen bekanntlich abknicken lassen, was zum Überfliegen von Gebieten
führen würde, die bisher als flugfrei galten. Betroffen wäre auch Kleinmachnow.
Bei einem Erfolg der Klage müsste das Planfeststellungsverfahren neu aufgerollt
werden – unter Berücksichtigung der künftigen Flugrouten. Neubetroffene hätten
dann die Möglichkeit, Einsprüche dagegen einzulegen und auch zu klagen, was
ihnen bei den ursprünglichen Plänen verwehrt war. Damit würde sich die
Eröffnung des Flughafen verschieben.
Rechtlich waren die Routen im Genehmigungsbeschluss nicht festgelegt worden.
Die Planer hatten allerdings eine Lärmschutzzone ausgewiesen, die sich an den
Geradeausflügen orientierte. Hinweise der Flugsicherung, dass die Routen bei
den vom Flughafen gewünschten parallelen Starts abknicken müssen, wodurch sich
die Lärmschutzzone vergrößert hätte, waren nicht umgesetzt worden.
Bei der Flughafengesellschaft reagierte man am Montag „gelassen“ auf die Klage.
„Es gibt keine neuen Argumente. Die Klage entbehrt jeder Grundlage“, sagte
Flughafensprecher Ralf Kunkel gegenüber den PNN. Er rate den Bürgerinitiativen
sich auf das „wesentliche Thema“ zu konzentrieren, und „gemeinsam vernünftige
Flugrouten“ zu erreichen.
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag,
Rainer Genilke, dagegen bezeichnete das angestrengte Verfahren als „ernst zu
nehmend“. „Die Landesregierung muss endlich reagieren“, so Genilke. Bisher habe
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) lediglich versprochen, dass Problem
werde sich einvernehmlich lösen lassen. „Wenn der BBI scheitert, haben wir
nicht nur für 2,3 Milliarden Euro eine Ruine errichtet, sondern uns auch zum
Gespött ganz Deutschlands gemacht“, so der Verkehrsexperte.
Auch Grünen-Fraktionschef im Landtag, Axel Vogel, hält die „Klage nicht für
aussichtslos“. „Das könnte zu deutlich stärkeren Beschränkungen des
Flugbetriebs führen“, so Vogel gestern.
Der Flughafen sei ohnehin viel zu groß geplant.
Auch beim erwogenen Kompromiss, bei Starts Richtung Westen nur von der neuen
Südbahn abzuknicken, gibt es Probleme. Gegen das dann mögliche Überfliegen des
Vogelschutzgebiets „Rangsdorfer See“ will sich die Bürgerinitiative
Schallschutz Rangsdorf bei der EU-Kommission beschweren, weil deren Richtlinien
zum Naturschutz nach Ansicht der Initiative verletzt würden. Zudem würde der
Flugverkehr durch den dann nicht auszuschließenden Vogelschlag gefährdet.