PNN 15.12.2010
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - Baulobby kontra Ramsauer: Bauwirtschaft und Gewerkschaften
sind geschockt über den Ausbaustopp für die Kleinmachnower Schleuse. „Niemand
hat damit gerechnet“, sagte Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des
Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, gestern in Potsdam. Vor drei Wochen
hatte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Planungen für das 48
Millionen Euro teure Verkehrsprojekt zu den Akten gelegt. Umweltschützer und
Bürgerinitiativen hatten massiv dagegen protestiert. Wunschel kann Ramsauers
Entscheidung dennoch nicht verstehen. „Das muss korrigiert werden“, forderte er
– und steht damit nicht allein.
Ein neues Aktionsbündnis für den Ausbau der Kleinmachnower Schleuse hat gestern
zum Angriff geblasen: Im Potsdamer Mercure-Hotel trafen sich Vertreter von
Unternehmensverbänden, der Binnenschifffahrt, der Bauindustrie, Gewerkschaften
und IHK. Gemeinsam verurteilten sie die von Ramsauer ersatzweise angeordnete
Instandsetzung der Schleuse als „ökologischen und ökonomischen Unsinn“: Bei
einer Sanierung werde kein Cent gespart, die Umwelt durch mehr Verkehr auf der
Straße geschädigt und die Industrieentwicklung gefährdet.
„Ich sehe mit großer Sorge, dass die Planung für den Ausbau aufgegeben werden
soll“, sagte René Kohl, Hauptgeschäftsführer der IHK-Potsdam. Für die Industrie
bedeute der Stopp einen „erheblichen Rückschlag“. Ramsauers Entscheidung sei
enttäuschend, man brauche Planbarkeit. „Die Schleuse muss das Güteraufkommen
der Zukunft tragen können“, so Kohl. Ohne Schleusenausbau sei die Entwicklung
der Häfen in Königs Wusterhausen und Eisenhüttenstadt gefährdet. Arbeitsplätze
ständen auf dem Spiel.
Werner Knoll vom Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt warnt: „Unserem
Wasserstraßennetz droht die Drittklassigkeit.“ Die Kleinmachnower Schleuse
würde ohne die Ausbaulänge von 190 Metern zum Nadelöhr. Statt 20 Minuten
benötigten lange Schubverbände bis zu drei Stunden, um die kurze Schleuse zu
passieren. Jeder Schubverband müsste entkoppelt werden. Das koste Zeit und
Geld, das Rangieren auf dem Wasser mache die Binnenschifffahrt unattraktiv und
schädige die Umwelt. „Der Erhalt der Schleuse mit den alten Parametern ist
kontraproduktiv“, findet Knoll. Die Sanierung der Schleuse koste 33 Millionen
Euro, rechnete das Aktionsbündnis vor. Weitere 10 Millionen Euro seien bereits
in die Planung zum 190-Meter-Ausbau geflossen und nun nichtig.
Die Bauaufträge waren ausgeschrieben, deshalb sei mit Schadenersatzforderungen
von zwei Millionen Euro zu rechnen. Die Planungen zu einer Sanierung der
Schleuse koste weitere 3 Millionen Euro. Die Sanierung bringe keine Vorteile,
fasste Rainer Knerler von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
zusammen: „Wir wollen nicht einfach Beton verbauen, wir wollen nachhaltig
bauen.“
Bekannte Argumente der Ausbaugegner wiegelten die Vertreter des neuen
Aktionsbündnisses ab: Die Binnenschifffahrt sei attraktiv. Die Schleuse in
Kleinmachnow werde benötigt, die Zahl der Schleusungen werde zunehmen. Natur,
die beim Ausbau zerstört werde, würde anderenorts ersetzt. „Wir benötigen neue
Bäume“, sagte Burkhard Rhein von der Vereinigung der Unternehmerverbände. Die
alten müssten ersetzt werden. Er kritisierte: „Die Egoismen vor Ort sind größer
als die gesamtpolitische Einsicht.“ Doro Zinke vom Deutschen Gewerkschaftsbund
befand: „Der landschaftsverbrauchende Bau ist das Einfamilienhaus.“
Gewerkschafter Knerler versprach den Landschaftsschützern: „Es geht nichts
verloren“, die Natur am Kanal werde lediglich im Bereich von 100 bis 150 Meter
„nach außen geschoben“.
Auch Axel Wunschel sieht in den bedrohten Bäumen am Ufer des Machnower Sees
kein Problem: „In Ufernähe wachsen Bäume ganz, ganz schnell.“ Der Verkehr auf
dem Wasser müsse fließen, erklärte Wunschel das höhere Ziel der Bauindustrie.
„Der Planfeststellungsbeschluss zum Schleusenausbau existiert noch“, bis heute
habe Ramsauer den Ausbau nicht offiziell gestoppt. Deshalb wolle man kämpfen.
Wunschel geht einen Schritt weiter: Wird die Schleuse ausgebaut, soll
irgendwann auch der Teltowkanal folgen – auch das wurde in Berlin schon einmal
abgelehnt.