PNN 14.12.2010

 

Von Tobias Reichelt

Premiere mit Wartezeit

Holpriger Start für das neue Buskonzept in der Region Teltow: Busse zu spät, Fahrgäste verunsichert, dennoch stiegen mehr ein als gedacht (14.12.10)

Region Teltow - Ungläubig starrt Jutta Lehmann auf den Busfahrplan am Teltower S-Bahnhof. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, entfährt es der Teltowerin. „Ich muss zum Augenarzt nach Zehlendorf“, sagt sie – nur die Expressbuslinie X10, die sie sonst von Teltow nach Berlin gebracht hatte, fährt am Vormittag nicht mehr. Auch Reza Wahdax drängelt sich jetzt vor zu dem von Fahrgästen umlagerten Aushang. „So ein Mist“, ruft er in die klirrende Kälte. Auch Wahdax muss nach Zehlendorf. Gerade mal 12 Minuten habe er dafür sonst gebraucht. „Jetzt brauche ich einen Notfallplan, um überhaupt anzukommen.“

Der Start des regionalen Buskonzeptes „T-K-S-2010“ hat am Montag viele Fahrgäste in Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf kalt erwischt. Mit dem Fahrplanwechsel am Sonntag hat sich im Busnetz der Region einiges geändert. Schneller, öfter und auf verbesserten Linien sollen die Busse unterwegs sein. Insgesamt 760 000 Euro lassen sich Landkreis und Kommunen das jährlich kosten. Sie wollen Autofahrer animieren, auf Bus und Bahn umzusteigen. Tatsächlich stieß das neue Buskonzept aber an seine Grenzen: Busse kamen zu spät oder fielen aus. An den Haltestellen herrschte Verwirrung bei den Fahrgästen, Service-Kräfte waren nicht zu finden.

„Selbst die Busfahrer sehen nicht durch“, beschwert sich Winfried Isensee. Seit über 30 Minuten wartet er am Kleinmachnower Rathausmarkt auf den 623 nach Stahnsdorf. Eigentlich hatte sich Isensee auf den Fahrplanwechsel gefreut. Fuhr er früher mit dem Bus nach Stahnsdorf, musste er umsteigen. Bei der Kälte war das unangenehm. Mit der Änderung im Liniennetz kann Isensee auf das Umsteigen verzichten, frieren muss er aber trotzdem. Gemeinsam mit Margret Reichow und fünf anderen Fahrgästen wartet er auf den verspäteten Bus. „Wenn es bloß nicht so kalt wäre“, sagt Margret Reichow und reibt sich die Hände. Eigentlich, erklärt sie, hätte man es sich ja denken können. „All die Versprechungen konnte keiner halten.“ Dabei hatte sie gehofft, alles richtig zu machen. Den Bus zu nehmen und das Auto stehen zu lassen.

Als endlich ein Bus kommt, ist auch dem Fahrer der Frust anzumerken: Die Fahrpläne seien zu eng, der Verkehr in der Region zu dicht, die Zeiten kaum zu halten, klagt er. „Das haben die sich nicht gut überlegt.“ Sechs Minuten Verspätung hat er auf der Uhr. „Meine Kollegen haben bis zu 30 Minuten.“ Wo der Bus ist, der bereits 20 Minuten vor ihm fahren sollte, weiß er nicht. Was bei den Fahrern bleibt, ist ein leerer Magen, denn Pausen für das Frühstücksbrot gebe es nicht mehr. „Wir fahren mit Bauchschmerzen“, klagt er.

In der Zentrale der Havelbus-Verkehrsgesellschaft waren die Beschwerden von Fahrgästen und Busfahrern am Montagnachmittag noch nicht angekommen. „Wir haben alles dafür getan, einen Fehlstart zu vermeiden“, sagt Havelbus-Sprecherin Ulrike Rehberg. Es sei schade, dass es nicht überall geklappt habe. Dabei hatte man schon vor Wochen 25 000 Info-Hefte in der Region verteilt. Auch im Internet waren die Pläne für alle Fahrgäste abrufbar. Beobachter der Verkehrsgesellschaft hätten der Zentrale am Montagmorgen eigentlich gute Nachrichten gemeldet. Der Andrang auf die neuen Buslinien war größer als erwartet. Auf einzelnen Strecken sollen deshalb nun größere Busse fahren. Um die Zahl der ratlosen Gesichter an den Fahrplanaushängen zu reduzieren, wolle man aber auch versuchen, kurzfristig zusätzliches Service-Personal einzusetzen.

Immerhin: Bei einigen Autofahrern kann das neue Buskonzept punkten – Ilse Blazovich studiert an diesem Vormittag schon eine ganze Weile den Fahrplan am Teltower S-Bahnhof. Sie lässt sich nicht vom bunten Liniengewirr abschrecken, sie will nach Potsdam und ihr Auto stehen lassen. „Die Parkgebühren in der Stadt sind zu hoch und dann noch das Winterwetter“, erklärt sie. „Das mit dem Bus ist vielleicht nicht schlecht.“ Ein paar Augenblicke später hat sie eine Lösung gefunden. In 30-Minuten wäre sie so in Potsdam. „Und der Bus fährt sogar alle 20 Minuten“, sagt sie.

Auch Georg Lange ist zufrieden, als er seinen Weihnachtsbaum zum ersten Mal mit dem Bus statt mit dem Auto nach Hause transportiert. „Das ich überhaupt den Bus genommen habe, war eher Zufall.“ Mit dem Auto könne er gerade nicht fahren, da sei ihm die neue Buslinie vor seiner Haustür gerade recht gekommen, sagt der Kleinmachnower. „Ich fahr ja sonst kein Bus, aber eigentlich könnte man sich dran gewöhnen“.

Am vierten Adventswochenende kann jeder kostenlos mit dem Havelbus das TKS-Netz testen. Weitere Infos gibt es im Internet auf www.havelbus.de oder unter Tel. (0180) 42 83 52 8.