PNN 14.12.2010
INTERVIEW
Herr Geulen, Sie sind Verwaltungsrechtler und Experte in
Luftverkehrsfragen, die Länder Berlin und Brandenburg sollen dem
Bundesverwaltungsgericht Dokumente über die Flugroutenplanung für Schönefeld
vorenthalten haben. Ist das Planfeststellungsverfahren damit für den
Flughafenbau hinfällig?
Grundlage für Bau und Betrieb des Flughafens ist der
Planfeststellungsbeschluss von 2004, der seit den Klageabweisungen im Jahre
2006 unanfechtbar ist. Bau und Betrieb sind bestandskräftig genehmigt. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Anspruch auf Aufhebung der
Planfeststellung nicht mehr möglich; Betroffene müssen ihre Rechte in dem
laufenden Verfahren zur Festlegung der Flugrouten geltend machen.
Sind damit die Richter zumindest teilweise getäuscht worden, weil bei der
Abwägung die Zahl der insgesamt Betroffenen nicht exakt bekannt war?
Planfeststellung und Flugroutenfestlegung sind voneinander zu trennen. Im
Planfeststellungsverfahren wurde ein wesentliches Szenario der
Flugroutenfestlegung unterstellt, nämlich der Geradeausabflug. Darauf haben
sich Anwohner eingestellt. Für Abweichungen von diesem Szenario müssten
gewichtige Gründe vorgetragen werden. Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss
nicht mehr angegriffen werden kann, haben die darin vorgenommenen Wertungen
einen hohen Wert. Sollten die Annahmen der Planfeststellung – etwa aus Gründen
der Sicherheit – nicht umsetzbar sein, können der Flughafenbetreiberin andere
Betriebsregelungen zugemutet werden, etwa bei einem Abflug in westlicher
Richtung der Geradeausflug von der Nordbahn und ein Abknicken von der Südbahn.
Sind damit Betroffene, die nicht wussten, dass sie betroffen sein können, um
ihre Klagerechte gebracht worden?
Das hängt von der Ausgestaltung der Flugrouten durch die DFS ab. Gemeinden
und Bürger, die befürchten, stärker belastet zu werden als im
Planfeststellungsverfahren unterstellt wurde, sollten sich daher in das
Abwägungsverfahren der Flugroutenfestlegung einbringen. Gegen die endgültige
Flugroutenfestlegung besteht verwaltungsprozessualer Rechtsschutz, der sich auf
die Überprüfung dieser Entscheidung bezieht. Eine Klage ist aber erst nach
Festlegung der Flugrouten durch Rechtsverordnung zulässig.
Darf der Flughafen in Betrieb gehen, wenn die Routen erst wenige Monate vor
der geplanten Eröffnung feststehen und Neu-Lärmbetroffene nicht mehr
rechtzeitig Schallschutz erhalten können?
Der Anspruch auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes ergibt sich nach
Festlegung der Flugrouten zwingend aus den im Fluglärmschutzgesetz festgelegten
Schallschutzzonen, die von der Höhe der Lärmbelastung abhängen. Es sollte alles
getan werden, dass die Flugroutenfestlegung so schnell wie möglich erfolgt,
damit gerichtliche Kontrollverfahren noch durchgeführt werden können und
Neu-Lärmbetroffene ihren Anspruch auf passiven Lärmschutz vor Inbetriebnahme
des Flughafens realisieren können.
Das Gespräch führte Klaus Kurpjuweit.
Reiner Geulen ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er berät auch die Gemeinden
Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf im Streit um die neuen Flugrouten am BBI.