PNN 4.12.10

 

Von Thomas Lähns

Jungfernfahrt mit Herrenquartett

Bürgermeister und Landrat unterzeichneten gestern den Finanzierungsvertrag für ein neues Busliniennetz (03.12.10)

Potsdam-Mittelmark – „Das wird die teuerste Fahrkarte, die ich je gelöst habe“, witzelt Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert. Er zückt den Kuli, setzt sein Autogramm unter den Vertrag, und die Fahrt kann losgehen. Seine beiden Amtskollegen Thomas Schmidt aus Teltow und Bernd Albers aus Stahnsdorf sowie Landrat Wolfgang Blasig haben es sich im Fond des blau-weißen Havelbusses bequem gemacht. Es wird gescherzt und gelacht, während an den Fenstern das Bäketal vorüber zieht. Mit ihren Unterschriften haben die vier gestern 760 000 Euro als gemeinsamen jährlichen Zuschuss für das neue Liniennetz „TKS 2010“ bewilligt. Ab 12. Dezember werden die Busse in der Region häufiger, schneller und abends noch länger unterwegs sein.

Die Havelbusgesellschaft (HVG) setzt damit ein Mammut-Projekt um. Seit zwei Jahren ist an den neuen Fahrplänen getüftelt worden – in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen, der Lokalen Agenda, und dem VBB, wie HVG-Geschäftsführer Dieter Schäfer betont. Das Ergebnis: Künftig werden in Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf 15 Tages- und zwei Nachtlinien auf teilweise völlig neuen Routen fahren. Die Hauptstrecken werden im 20-Minuten-Takt bedient und an den Wochenenden fahren die meisten Busse alle halbe Stunde. Das Ziel des neuen Netzes: Noch mehr Bürger zum Umstieg auf die Öffentlichen zu bewegen. Havelbus geht davon aus, schon im ersten Jahr 1500 neue Fahrgäste gewinnen zu können. Durch weiteren Kundenzuwachs könnten die Zuschüsse aus öffentlicher Hand dann irgendwann überflüssig werden, hofft der HVG-Chef.

Bei der Jungfernfahrt ist Schäfer der Steward: Auf der Fahrt durch den Europaparc kredenzt er seinen Passagieren aus der Kommunalpolitik Gebäck auf einem Tablett. „Wird es das jetzt auf jeder Linie geben?“, ruft der Landrat von der Rückbank und erntet Gelächter. Vorn beim Fahrer probiert sich Andrej Kirschbaum unterdessen als Reiseleiter. Der Chef-Verkehrsplaner bei der HVG erläutert über Mikrofon die Neuerungen: Neun völlig neue Haltestellen werde es geben, so müsse niemand mehr als 400 Meter bis zum Bus laufen. Die Linien seien auf den S-Bahn und Regionalverkehr abgestimmt, bieten damit ein Sprungbrett nach Berlin, und halten hier in der Region direkt vor Gewerbegebieten und Schulen.

Routiniert manövriert der Fahrer den bulligen Mercedes Citaro durch Kleinmachnow. Der erste Schnee des Jahres scheint weder Bus und Steuermann etwas auszumachen – auch wenn es nur langsam vorangeht.

In der Förster-Funke-Alle erinnert jemand daran, dass nicht alle das neue Netz gut finden: Hier haben sich Anlieger beschwert, weil künftig fünf Linien vor ihrer Haustür vorbeifahren werden. „Die Bürger haben es doch selbst in der Hand“, bemerkt Wolfgang Blasig, der als früherer Bürgermeister die Meckerecken in der Gemeinde kennt: Würden die Anlieger nicht an der Straße parken, kämen die Busse auch schneller durch. Sein Nachfolger Grubert setzt hinzu: „Wer an einer Hauptstraße wohnt, muss doch damit rechnen, dass dort die Busse fahren.“ Den Anliegern habe er bereits angekündigt, dass das TKS-Netz in einem halben Jahr ausgewertet und – wo nötig – überarbeitet wird.

Vor dem Rathausmarkt schiebt sich der Bus an die Haltestelle: Ein Passagier steigt zu: „Bin zu spät, ich hab den Bus genommen“, entschuldigt sich Jürgen Ross, Bereichsleiter beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. „Na, das war aber garantiert ein Berliner Bus“, frozzelt Dieter Schäfer. Die Heiterkeit fährt weiter mit. Der Landrat geht sogar soweit zu sagen, dass der Finanzierungs- im Prinzip auch ein Friedensvertrag sei – und spielt damit auf die aktuelle Diskussion um einen eventuellen Rückzug des Kreises aus der HVG in den nächsten Jahren an. Von diesen Plänen ist zumindest im Moment nichts zu merken. Denn es gibt jede Menge Lob und Schulterklopfen für Havelbus und füreinander – und die Zuversicht, dass eine ganze Region künftig auf blau-weiße Busse statt auf das eigene Auto setzen wird.

Am vierten Adventswochenende kann jeder kostenlos mit dem Havelbus das TKS-Netz testen. Weitere Infos gibt es im Internet auf www.havelbus.de