PNN 22.11.2010

 

Von Kirsten Graulich

Schreien und Pfeifen gegen den Fluglärm

Der Protest wird heftiger: 8500 Menschen demonstrieren in Stahnsdorf / Neuer Vorschlag vom Land (22.11.10)

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Stahnsdorf – Der Protest war nicht zu übersehen: Familien zogen mit Kinderwagen und Transparenten über den Güterfelder Damm, daneben rollten Kolonnen von Radfahrern und am Stahnsdorfer Hof stauten sich die Autos. Am Samstagnachmittag schienen die Stahnsdorfer nur ein Ziel zu haben: die Annastraße. Mit rund 6000 Teilnehmern hatte die Stahnsdorfer Bürgerinitiative bei der jüngsten Protest-Kundgebung gegen den Fluglärm gerechnet – es kamen nach Angaben der Veranstalter rund 8500. Denn auch aus Potsdam, Berlin, Kleinmachnow, Teltow, Mahlow und Zeuthen reisten Demonstranten an, um sich gegen den drohenden Fluglärm über ihren Köpfen zu wehren.

Im Streit um die Flugrouten für den Hauptstadtflughafen in Schönefeld wird der Ton zunehmend schärfer. Das bekam auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zu spüren. Er hatte sich in die Protestzone gewagt und beinahe jeder Satz von ihm wurde durch langanhaltende Pfeifkonzerte, Buhrufe und Beschimpfungen unterbrochen. Das Misstrauen bei vielen Protestlern sitzt tief. Sie wurden Anfang September von der Flugroutendebatte überrascht. Statt an der Region Teltow und Potsdam vorbei, sollen die Jets in Höhen zwischen 1000 und 3000 Metern über ihre Häuser hinwegdonnern.

„Es wäre unseriös zu sagen, dass der Flughafen keine Belastung für die Region mit sich bringen werde“, erklärte Platzeck den Demonstranten. Sein Eingeständnis, man habe in der Vergangenheit nicht genug deutlich gemacht, dass die Flugrouten erst zur Eröffnung des Flughafens festgelegt werden, quittierte die Protestgemeinde mit lauten Zwischenrufen: „Traumtänzer“, „Lügner“ und „Heuchler“. Beifall erhielt Platzeck dagegen für sein Versprechen, künftig mehr Fluglotsen einsetzen zu wollen, um deren Belastung zu minimieren und andere Routen zu ermöglichen. Es werde bereits nach Lösungen gesucht, die Routen um die Region herumzuführen, kündigte der Ministerpräsident an.

So erklärte das Brandenburgische Umweltministerium gegenüber den PNN, eigene Routenvorschläge in die nächste Sitzung der Lärmschutzkommission am 13. Dezember einbringen zu wollen. Demnach könnten die Jets bei Abflügen um Blankenfelde-Mahlow herumgeführt werden. Anschließend sollen sie nicht mehr über die Region Teltow fliegen, sondern in Richtung Ludwigsfelde und weiter entlang des Berliner Rings in Richtung Potsdam. Westlich von Potsdam könnten die Jets nach Norden und Osten abknicken.

Allerdings machten die Redner der Bürgerinitiativen auch am Samstag deutlich, dass sie zu den ursprünglichen Routenplanungen zurückkehren wollen, auch davon war die Region nicht betroffen.

Der Sprecher der Stahnsdorfer Initiative, Matthias Piaszinski, bat den Ministerpräsidenten: „Beteiligen Sie sich bitte nicht weiter an dem Pingpong-Spiel, dem Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen der Flughafengesellschaft, den Eigentümern, der Deutschen Flugsicherung und der Fluglärmkommission“. Es wäre eine Verhöhnung der Betroffenen, warnte Piaszinski, würde man letztlich der Fluglärmkommission den Schwarzen Peter zuschieben. Das Gremium aus betroffenen Kommunalvertretern und Fluggesellschaften sei weder vom Know-how, noch von seinen Kapazitäten und der Zusammensetzung imstande, verträgliche Flugrouten zu kreieren. Auch wenn nun weitere Routen-Varianten diskutiert würden, gehe der Protest weiter, versprach Piaszinski. Die nächste Demo gegen Fluglärm wurde bereits für den 12.Dezember in Kleinmachnow angekündigt.