Herr Burkardt, Sie waren in ihrer beruflichen Laufbahn sechs Jahre
als Direktor der Stadtwerke in Goslar tätig. Begrüßen Sie, dass jetzt auch in
ihrer heutigen Heimatregion Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf über die
Gründung von Stadtwerken geredet wird?
Es ist zumindest richtig, dass darüber geredet wird. Aber ich war Werkleiter
der Stadtwerke Goslar zu einem Zeitpunkt, als noch andere Rahmenbedingungen bei
der Energieversorgung galten. Wir hatten noch nicht die Liberalisierung im
Strom- als auch Gasmarkt. Heute kann sich jeder seinen Lieferanten aussuchen.
Damals war jeder gebunden an den örtlichen Strom- oder Gasversorger.
Die Zeiten haben sich geändert, trotzdem halten Befürworter von Stadtwerken
dagegen: Sie betonen die Unabhängigkeit der Kommune von der Preistreiberei in
der öffentlichen Daseinsfürsorge.
Das ist sicher richtig und ist auch ein ganz wichtiger Gesichtspunkt bei der
Frage, warum Kleinmachnow und Teltow die Versorgung mit Strom, Gas, Wasser,
Fernwärme und die Entsorgung von Müll in die eigene Hand nehmen sollen. Das
Problem ist aber ein wirtschaftliches. Wer heute Stadtwerke gründet, muss auch
die Kunden gewinnen. Das macht eine lange Anlaufzeit notwendig, die
vorfinanziert werden muss.
Allein der Besitz der Stromnetze gilt in einem Teil des politischen Raums aber
als Lizenz zum Gelddrucken.
Das gilt nur begrenzt. Sie müssen immer in die Netze investieren, sie erneuern,
erweitern oder zunächst bauen. Die Aussage kann ich nicht teilen. Man darf
eines nicht vergessen: Um ein Energieunternehmen zu betreiben, braucht man
Know-how. Man braucht Fachleute, die was davon verstehen. Bei den Stadtwerken
Goslar war mit 40 Prozent eine heutige Tocher der Eon beteiligt. Sie hat das
Know-how gestellt. Es geht nicht nur um Netze und Kraftwerke, sondern auch um
Leute, die damit umgehen können.
Die Chancen stehen also schlecht, unabhängig zu werden?
Eine völlige Unabhängigkeit wird es nicht geben. Dann müssten wir zugleich die
Produktion übernehmen und Kraftwerke bauen. Das sehe ich in der Region nicht.
Wir werden uns immer Partner suchen müssen. Die bringen die Kunden mit, das ist
neben den Netzen das wichtigste Kapital. Wenn es aber darum geht, ohne Partner
Stadtwerke zu gründen und Kunden zu gewinnen, dann ist das ein verdammt
schwieriges Geschäft.
Das sagt auch die Machbarkeitsstudie, die den drei Kommunen einen Zwischenweg
aufzeigt: Sie könnten die Netze kaufen, müssten sie aber zeitgleich an die
Energieversorger zurückverpachten, um die Kredite für den Kauf abzubezahlen.
Auch das wird eine ganz schwierige Veranstaltung, weil die Preise für die Netze
vom Versorger berechnet werden. Und allein mit dem Netz wird es nicht getan
sein. Die Gemeinden werden sich in eine Gesellschaft mit den bisherigen
Versorgern einbringen müssen.
Die Gewinne werden also geteilt. Hat sich denn das Partnerschaftsmodell für die
Stadt Goslar gelohnt?
Ja wir haben eine Dividende bekommen. Die war ganz ordentlich, aber nicht so
exorbitant, wie man das von den Berliner Wasserbetrieben zurzeit erfährt. Das
hat uns bei der Finanzierung der Verkehrsbetriebe geholfen, die Verluste dort
wurden durch die Dividende ausgeglichen.
Sie sind selbst Gemeindevertreter in Kleinmachnow. Irgendwann müssen sie
mitentscheiden. Wie geht das aus?
Ich bin durchaus ein Freund der Kommunalwirtschaft, dort wo es um die engere
Ver- und Entsorgung geht. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Markt
nicht mehr geschlossen ist. Das bringt Risiken mit sich. Deshalb müssen wir uns
genau anschauen, ob das Risiko aufgehoben wird durch die Chancen, die wir
glauben zu sehen. Im Moment weiß ich aber noch nicht, wo die Chancen liegen
sollten. Ich wüsste auch nicht, wie wir den Strompreis signifikant niedriger
bekämen, als ein großer Konzern, der ganz andere Möglichkeiten hat.
Grundsätzlich sind Sie skeptisch?
Skeptisch ja. Es gibt aber eine günstige Situation, die darf nicht unerwähnt
bleiben: Wenn die Gemeinden jetzt einsteigen und Geld auf den Tisch legen,
müssten sie das auf dem Kreditmarkt finanzieren. Die Konditionen dafür sind im
Moment außerordentlich günstig. Das kann sich relativ schnell rechnen –
funktioniert aber nur in einem Partnerschaftsmodell.
Von welchem Zeithorizont reden wir?
Vor 2012 werden die Stadtwerke nicht an den Start gehen können, weil eine
Vielzahl von Dingen erledigt werden müssen. Wirtschaftlichkeitsberechnungen,
Genehmigungen der Aufsichtsbehörde, Verhandlungen mit dem bisherigen
Energieversorger - das wird länger dauern, als man sich das heute vorstellen
kann.
Das Interview führte Tobias Reichelt
Ludwig Burkardt war von 1982 bis 1988 Leiter der Stadtwerke im
niedersächsischen Goslar. Heute wohnt er in Kleinmachnow. Seit etwa einem Jahr
ist Burkardt für die CDU im Landtag.